Wo das Lagerfeuer auf platt knistert

■ Steinbeck op platt (2): Mutige Saisoneröffnung im Waldau-Theater, aber nicht ohne unfreiwillige Komik

Der Nobelpreisträger John Steinbeck hat in mehr als vier Jahrzehnten mit Romanen und Erzählungen das Los der Armen und Gedemütigten von Amerika beschworen, deren Weg vom Tellerwäscher zum Millionär stets schon an der Küchenschwelle mit gebrochenen Beinen oder zerschundener Seele endete. Manches davon wurde auch für Film und Theater umgesetzt, so auch die Landarbeiter-Geschichte „Von Mäusen und Menschen“. Im Ernst-Waldau-Theater hat man sich jetzt gar an einer niederdeutschen Fassung von W. A. Kreye versucht und die Handlung ins Norddeutschland der Jahrhundertwende versetzt.

Der plietsche Schorsch und der bärenstarke Tumbling Hinni ziehen von Hof zu Hof, um sich als Erntehelfer oder Gelegenheitsarbeiter zu verdingen. Zwischen den Stationen dieser Mühsal aber hängen sie, auf der Wanderschaft unterm Sternenhimmel, vor dem Einschlafen ihren Träumen von einer eigenen, kleinen Landwirtschaft nach. In der Landarbeiterkaserne eines größeren Hofs scheint man diesem Ziel mit einem Schlage dann ganz nah zu kommen. Doch schon naht das Schicksal in Gestalt der quirligen Frau des Jungbauern, die sich ein aufregendes Leben im Zirkus oder Theater erhofft; die ländliche Ruhe hat sie jedenfalls satt. So kommt sie auch mit Hinni ins Gespräch. Und als der sie in aller Einfalt berührt, da schreit sie erschreckt auf. Hinni will sie daran hindern, faßt in seiner Tapsigkeit zu und wird schon als Mörder gejagt. Schorsch ahnt, daß er seinen Schützling nicht mehr retten kann, erzählt ihm ein letztes Mal das Märchen von der idyllischen Zukunft auf der eigenen Scholle, um den hilflosen Riesen dann mit der Pistole in den endlosen Traum zu schicken.

Wenn Regisseur Wolfgang Schenck mit Klaus Marth als Schorsch und vor allem Heino Stichweh als Hinni zwei prachtvolle Volksschauspieler in den Hauptrollen aufbieten kann, so ist die unfreiwillige Komik doch ständige Begleiterin dieser naturalistisch-grotesken Inszenierung. Wie die beiden da abends auf malerischer Pappmaché-Landschaft am Glühlampen-Lagerfeuer zusammenhocken und dabei ständig vom knarrenden Geräusch der strapazierten Bühnenbild-Natur begleitet werden, dann hat das schon was von rührender Kindlichkeit des Wollens. Und wenn dann ins erlösende Piffpaff der Schlußszene hinein der Vorhang fällt, so weiß das Publikum kaum, ob eventuell zu zollender Beifall hier nicht einer Zustimmung zu einem Fall von Euthanasie durch Freundeshand gleichkäme.

Der aufgesetzte Akzent, mit dem etwa Wiegand Haar den polnischen Pferdeknecht in der Sattelkammer gibt, wird gerade mal zwei Halbsätze durchgehalten, bis dann wieder O-Ton Niederdeutsche Bühne zu hören ist. Und wieso die sonst so pointiert agierende Martina Rüggebrecht als Frau des Jungbauern ihren Part so daherbrabbeln muß wie eine kindische Nervensäge, das mögen die Götter, vielleicht auch der Spielleiter wissen. Obwohl das geräumige Bühnenbild es geradezu herausfordert, wird hier nur wenig echtes Schau-Spiel in Aktion gezeigt; es bleibt immer wieder nur Hörspiel vor Kulisse. Umso bizarrer wirkt es dann, wenn dieses beschauliche Spiel mal dramatisch wird: Die Szenen des Raufens, Jagens und Tötens laufen hier in comichafter Hektik ab.

Ein mutiger Schritt, die neue Saison mit einem Stück abseits des traditionellen Repertoires zu beginnen. Für Mut allein aber gibt es keine Punkte, und erst recht keinen Sieg. Ulrich Reineking-Drügemöller

Nächste Vorstellungen am Mittwoch und Freitag um 20 Uhr