: Weltradio reicht nur bis Mitte
■ Das am Sonntag gestartete vierundzwanzigstündige Multikulti-Radio von SFB 4 erreicht nicht einmal das gesamte Stadtgebiet: Der Sender ist zu schwach
Seit Sonntagabend läuft das Rund-um-die-Uhr-Programm des Multikultisenders von SFB 4. Anläßlich des Anfahrens der ersten Sendung fand gleichzeitig im Haus der Kulturen der Welt eine Party statt. Gleich hinter der ehemaligen Kongreßhalle, in den noch einmal erweiterten Büro-Containern, logiert auch die für das Tagesbegleitprogramm zuständige deutschsprachige 106,8-Redaktion, die sich über kurz oder lang mit den Projekt-Abteilungen des Weltkultur-Hauses verflechten soll.
Die fremdsprachigen Redaktionen sind im SFB-Gebäude, Masurenallee, untergebracht. Dazu gehört auch die alte „Gastarbeiter- Redaktion“, jetzt türkische, sowie die ehemalige jugoslawische Redaktion, die sich „Berlin-Forum“ nennt. Weitere Programme werden auf vietnamesisch, albanisch, polnisch, russisch, kurdisch, persisch, arabisch, griechisch, italienisch und spanisch angeboten. „Wir holen Moderatoren aus Pamplona und St. Petersburg“, heißt es in der Eigenwerbung.
Etwa 12 Prozent der Berliner Bevölkerung sind Ausländer – mit einem Recht auf akustische „Grundversorgung“. Hinzu kommen, primär durch die Wissenschafts- und Kultur-Szene, noch einmal so viele Deutsche, die an solch einem Programm interessiert sind. Es könnte also alles ganz prima laufen. Die Finanzierung für die nächsten drei Jahre ist auch gesichert.
Doch es gibt ein schwerwiegendes Handicap: Der Sender, dessen 1-KW-Anlage auf dem Scholzplatz steht, ist mit seiner Frequenz 106,8 bereits ab dem Bezirk Mitte nicht mehr zu empfangen. Er ist, obwohl bereits „aufgeblasen“, schlicht zu klein für die Stadt.
Zudem wird er im Norden vom Hamburger 45-KW-Klopper „Alsterradio“ überlagert und im Osten von einem polnischen Sender. Die Anlage wurde vom SFB neu angeschafft, eine größere hätte die Frequenz 108, auf der der Fluglandeverkehr abgewickelt wird, gestört, heißt es jedenfalls beim SFB.
So wie es jetzt ist, ist es aber „ein Riesenproblem“, wie Musikredakteur Johannes Theurer meint. Ein anderer SFB-4-Redakteur spricht gar von „Schildbürgerei“. Auch im Haus der Weltkulturen ist man erbost, da als Senderstandort das Postgiroamt am Halleschen Ufer vereinbart worden war: „Die jetzige Situation ist politisch unausgegoren, die technische Lösung muß also nun auch schnellstens politisch gefunden werden.“
Wenn der Multikulti-Sender- Start wirklich nur eine „Wahlkampf-Scheinblüte“ sein sollte, wie einige Paranoiker im SFB bereits vermuten, „dann haben die sich da oben aber total die falsche Mannschaft dafür ausgesucht“, findet der Ressortleiter für Studio- Anlagentechnik, Mönnekes: „Ich bin schon seit 25 Jahren beim SFB, solch ein hochmotiviertes Team habe ich noch nie erlebt.“
Mönnekes hält sogar den Ausbau der Anlage, damit auch Köpenick, Marzahn und Lichterfelde grundversorgt werden, durch pekuniären Druck von unten – also durch Not-Aufrufe zu Hörerspenden – „für durchaus möglich“. Helmut Höge
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