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„Hoffentlich ist der Spuk bald vorbei“

■ Nach Anschlagshinweisen: Strenger Schutz für jüdische Einrichtungen / Kanal: „Wir lassen uns nicht einschüchtern“

„Die Welt wird immer verrückter“, sagt ein weißhaariger Mann und deutet auf die andere Straßenseite. Dort, gegenüber seinem Wohnhaus in der Fasanenstraße, steht hinter rot-weißen Absperrgittern ein dunkelgrünes Ungetüm mit Räumschaufel, ein Schützenpanzer, der das jüdische Gemeindehaus sichern soll.

Nachdem Anfang letzter Woche bekannt geworden war, daß die palästinensische Terrorgruppe Abu Nidal Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Deutschland plant, gleicht die Fasanenstraße auf dem Abschnitt zwischen Kantstraße und Kurfürstendamm einer Sicherheitszone. Die Straßenenden werden von Polizeiwannen blockiert, nur für Leute, die einen konkreten Grund nennen können, ist die Einfahrt vom Ku'damm möglich. „Sie haben meinen Kofferraum kontrolliert“, sagt ein Taxifahrer, der vor dem Hotel Kempinski auf Kunden wartet. „Als ich sagte, daß sie ihn ruhig öffnen können, haben sie darauf bestanden, daß ich ihn selbst aufmache.“ Taschenkontrollen bei Passanten fänden aber nur in Ausnahmefällen statt, so ein Polizist.

Auch vor anderen jüdischen Einrichtungen in Berlin sind die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden. Gegenüber der jüdischen Synagoge in der Oranienburger Straße, vor der schon seit ein paar Monaten Polizisten in schußsicheren Westen und Maschinenengewehren patrouillieren, herrscht Parkverbot. Wer in das Gotteshaus hinein will, muß seine Tasche kontrollieren lassen. Vor dem jüdischen Kindergarten in Grunewald, dem jüdischen „Literaturladen“ in der Joachimstaler Straße und dem israelischen Reisebüro in Ku'damm-Karree wurde die Polizeipräsenz ebenfalls verstärkt.

Während die Polizei über das Ausmaß der Vorkehrungen keine Auskünfte geben will, gesteht der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Jerzy Kanal, den Maßnahmen eine gewisse Einmaligkeit zu. „An solche Sicherheitsmaßnahmen, wie sie seit der letzten Woche bestehen, kann ich mich überhaupt nicht erinnern“, sagte er gegenüber der taz. Der Gemeinde gefalle es auch nicht, daß die Fasanenstraße abgesperrt ist. „Wir hoffen, daß dieser Spuk ganz schnell vorbei ist und dann das Leben wieder normal weitergehen kann.“

Kanal, der davon sprach, daß die Mitglieder schon seit Jahren an eine gewisse Polizeipräsenz vor jüdischen Einrichtungen gewöhnt seien, räumte ein, daß „der eine oder andere bestimmt unruhig“ sei. Die Aktivitäten der jüdischen Gemeinde seien durch die Sicherheitsmaßnahmen aber nicht beeinträchigt. „Vorige Woche hatten wir das Yom-Kippur-Fest, den Versöhnungstag, da waren die Synagogen so voll wie seit Jahren nicht.“ Jerzy Kanal rät den Gemeindemitgliedern, nach dem Gottesdienst nicht in Gruppen vor der Synagoge zu stehen. „Sonst bietet man eine Angriffsfläche.“ Ansonsten aber funktionierten alle jüdischen Institutionen normal, so Kanal: „Wir lassen uns nicht einschüchtern.“

Dieser Meinung ist auch die Leiterin des jüdischen Kindergartens, Hannelore Reuben-Shemia. Für die 53jährige sind die Vorkehrungen, eine „Maßnahme, die ich akzeptiere und die uns Sicherheit gibt“. Einengen lassen werden sie und ihre Mitarbeiter sich dadurch nicht, auch wenn die Situation „sehr bedrohlich“ sei, so Reuben- Shemia: „Die Welt ist sehr eng geworden.“ A.-K.Schulz, D. Winden

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