Tödliche Apartheid der Geschlechter

■ Anläßlich des Weltkindertages klagt Unicef die Diskriminierung von Mädchen an

Bonn (epd) – Rund 1,5 Millionen Kinder sterben nach Schätzungen des UN-Kinderhilfswerks Unicef jährlich, nur weil die Eltern Söhne bevorzugen und Mädchen in den ersten Lebensjahren gegenüber den Jungen vernachlässigt werden.

Zum heutigen Weltkindertag wies der Vorsitzende des Deutschen Komitees für Unicef, Reinhard Schlagintweit, am Montag in Bonn darauf hin, daß in vielen Entwicklungsländern die Sterblichkeit von Mädchen höher sei, obwohl sie in den ersten Lebensjahren eigentlich widerstandsfähiger seien. Um die „Apartheid der Geschlechter“ abzuschaffen, müßten diskriminierende Vorschriften und Praktiken beseitigt werden, forderte er.

Ursache für die hohe Mädchensterblichkeit ist laut Unicef deren Benachteiligung gegenüber den traditionell bevorzugten Jungen: „Sie werden kürzer gestillt, seltener geimpft, erhalten weniger zu essen und müssen sehr viel mehr zur täglichen Hausarbeit beitragen.“ In Afrika und Asien müßten Mädchen zwischen zehn und 14 Jahren täglich sieben und mehr Stunden im Haushalt und auf dem Feld arbeiten, Jungen dagegen nur drei Stunden. Zudem bleibe den Mädchen in vielen Ländern der Zugang zur Bildung verwehrt. Von weltweit mehr als 130 Millionen Kindern ohne Grundschulbildung seien 81 Millionen Mädchen. Auch zwei Drittel der 960 Millionen erwachsenen Analphabeten weltweit seien Frauen. Vor allem in Südasien werden nach Angaben von Unicef wegen des niedrigen gesellschaftlichen Status der Frauen und der hohen Kosten bei ihrer späteren Heirat Tausende Mädchen Opfer von Abtreibungen und Kindestötungen.

In einem Krankenhaus in Bombay wurde Unicef zufolge unter 8.000 abgetriebenen Föten nur ein Junge gezählt. Die Tötung weiblicher Babys wenige Tage nach der Geburt werde vor allem von Familien praktiziert, die sich moderne Techniken der inzwischen in Indien verbotenen Geschlechterbestimmung während der Schwangerschaft nicht leisten könnten.

Zudem seien Mädchen häufig Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, beklagt Unicef. So würden jedes Jahr in 25 Ländern Afrikas und des Mittleren Ostens zwei Millionen Mädchen an ihren Geschlechtsorganen verstümmelt. Allein in Asien lebten mehr als eine Million Mädchen unter sklavenähnlichen Bedingungen als Prostituierte.

Die Hilfsorganisation terre des hommes appellierte an die Bundesregierung, spektakuläre militärische Katastrophenhilfe nicht gegen die langfristige Entwicklungshilfe auszuspielen. Die von Armut, Umweltzerstörung und Katastrophen besonders betroffenen Kinder eigneten sich nicht als Argumentationshilfe bei der Neufestlegung des Auftrages der Bundeswehr.

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