Einvernehmliche Invasion

■ US-Truppen landen in Haiti / Stillhalteabkommen mit den Militärs

Berlin (taz) – Von CNN live weltweit übertragen, haben US-Truppen gestern mit der Landung auf Haiti begonnen. Im frühen Morgengrauen liefen drei Kriegsschiffe in Port-au-Prince ein, zehn Hubschrauber landeten auf dem internationalen Flughafen und 120 Gebirgsjäger bezogen in der Nähe der Rollbahnen Stellung. Die Sicherung des Hafens und des Flughafens seien die vordringlichen militärischen Ziele, hieß es in Washington. „Showdown in Haiti“ lautete das Logo von CNN, aber die Arbeit der Kamerateams vor Ort ist viel ungefährlicher, als es noch vor Tagen aussah: Nachdem es dem US-Unterhändler Jimmy Carter am späten Sonntag abend doch noch gelungen war, sich mit Haitis Putschgenerälen auf eine friedliche Rücktrittsregelung zu einigen, arbeiten Haitis Militär und die einmarschierenden US-Truppen nun zusammen, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. In Abstimmung mit dem militärischen Oberkommando, also mit den Putschisten, soll eine 3.000 Mann starke Polizeitruppe gebildet werden. Innerhalb einer Woche sollen die rund 15.000 Mann der US-geführten Besatzungstruppe in Haiti stationiert werden.

General Raul Cédras und seinen Mitputschisten ist es gelungen, trotz US-Besetzung noch eine ganze Weile im Amt zu verbleiben: Bis zum 15. Oktober können sie Haitis Militär leiten, falls nicht das haitianische Parlament vorher ein Amnestiegesetz verabschiedet. In jedem Falle gehen die Generäle straffrei aus, kein Gericht wird sie für den Putsch und die vielen Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen, unter denen die haitianische Bevölkerung in den letzten drei Jahren zu leiden hatte. Ehrenvoll werden sie aus dem Militärdienst ausscheiden, und wenn sie außer Landes gehen, dann freiwillig, um an ihre Auslandskonten heranzukommen. Auch der bislang immer als illegitim bezeichnete und von den USA ignorierte Marionettenpräsident Emile Jonaissant hat endlich Anerkennung gefunden – von ihm ließ Unterhändler Carter die Rücktrittserklärung unterzeichnen.

Selbst zu diesem Abkommen aber, das für die Militärs ausgesprochen vorteilhafte Regelungen vorsieht, war General Cédras erst bereit, als schon US-Fallschirmjägereinheiten auf 61 Flugzeugen in Richtung Port-au-Prince unterwegs waren. So berichtete jedenfalls Unterhändler Jimmy Carter. Der Heeresstabschef Philippe Biamby sei mit einem Funktelefon am Ohr in den Verhandlungsraum gestürmt und habe das Anrücken der Flugzeuge gemeldet. Erst dann sei Cédras bereit gewesen, sich auf das Abkommen einzulassen.

Kapituliert aber hat Cédras deshalb nicht. Gestern hat er sich mit US-General Henry Hugh Shelton getroffen, um sich über den US-Militäreinsatz zu informieren. Und Jean-Bertrand Aristide, der gewählte Präsident Haitis, beobachtet all das aus der Ferne des Exils. Seine Berater äußern leise Hoffnungen auf baldige Rückkehr. Doch diese Möglichkeit wird in dem Abkommen nicht einmal erwähnt. Bernd Pickert

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