Hamburg ist überall -betr.: zu den Polizeiübergriffen in Hamburg

zu den Polizeiübergriffen in Hamburg

Nun ist es heraus! Es gibt wohl doch „rechtsextremistische“ Tendenzen innerhalb der Polizei - oder doch nicht?

Der Hamburger Polizeiskandal hat die Diskussion neu entfacht. Die Politik hat die Notbremse gezogen, obwohl es bereits fünf nach zwölf ist. Anstatt nun mit aller Offenheit daranzugehen, dieses „polizeispezifische“ Problem aufzuarbeiten, und zwar lückenlos und öffentlich, beeilt man sich, zu verharmlosen und herunterzuspielen - allen voran die GdP (Gewerkschaft der Polizei).

Amnesty International stellte im Jahresbericht 93 fest: 1993 war ein deutlicher Anstieg von Berichten über Mißhandlungen durch Polizisten in Deutschland zu verzeichnen. Die Bundesregierung sprach indes von „Einzelfällen“. Allgemein sei keine ausländerfeindliche Haltung der Polizei festzustellen. Die Wahrheit zeichnet ein ganz anderes Bild. Als die „Republikaner“ sich in der Bundesrepublik ausbreiteten, waren es überwiegend Polizeibeamte, die aktiv wurden und Kreis- bzw. Ortsverbände dieser Partei neu gründeten. Übergriffe gegen Ausländer, Obdachlose und Demonstranten durch die Polizei sind an der Tagesordnung. Stralsund, Rostock, Magdeburg, Schwerin usw. stehen hier als mahnendes Zeichen für eine Entwicklung, die wir offenbar kaum noch beeinflussen können. Hier wird verschwiegen und vertuscht.

In Kiel mißhandelten zwei Polizisten einen Asylbewerber und schrien dabei: Wir Polizisten sind alle Faschisten. Deutschland den Deutschen. Ausländer raus! In Bremen geraten Polizeibeamte in den Verdacht, Schwarzafrikaner mit Elektroschocks mißhandelt zu haben. Ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft eingestellt. In einem anderen Fall sollen zwei Beamte einem Osteuropäer 36.000 Mark entwendet haben. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird vom zuständigen Richter am Amtsgericht abgelehnt.

Es drängt sich der Verdacht auf, daß es eine gefährliche Kumpanei zwischen Justiz und Polizei durchaus geben muß. So auch bei oft fragwürdigen Urteilen, wenn etwa bei Polizeieinsätzen verletzte Mitbürger wegen Widerstandes gegen Beamte verurteilt werden. Ob hier eine Körperverletzung im Amt meist der Auslöser für den Bürgerunwillen war, wird in der Regel erst gar nicht erörtert.

Die täglichen Erfahrungen der Polizisten mit Menschen, die unsere Rechtsordnung mißbrauchen, und die teilweise Handlungsunfähigkeit der Justiz und Politik, erzeugen bei den meisten eine völlige Fehleinschätzung ihres Berufs bis hin zu der Annahme, sie seien die Sündenböcke der Nation. Dies macht viele wütend und anfällig für einfache Lösungen. Der eigentliche Skandal liegt aber in der Bereitschaft aller übrigen Polizisten, Rechtsbrüche aus ihrer Mitte hinzunehmen und zu schweigen aus einem falschen „Wir-Gefühl“ heraus. Teilweise aber auch aus Angst, als Nestbeschmutzer zu gelten und in den eigenen Reihen geradezu einem „Spießrutenlaufen“ im täglichen Dienst ausgesetzt zu werden.

Ich vermisse den lauten Aufschrei derjenigen Polizisten, die unter schwersten Bedingungen, teilweise auch auf Kosten ihrer Gesundheit, tagtäglich ihren Dienst zum Wohle der Allgemeinheit und des einzelnen Bürgers versehen und dennoch fest auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen. „Wenn wir alle unseren Mund halten, geben wir dem Wahnsinn freie Bahn, dann stolpern wir in eine andere Republik, die wir nicht wollen“.

Erhard Krause,

Polizist, Gnarrenburg