Im Galopp über die Hinterhöfe

■ "The Commitments"- Autor Roddy Doyle liest in Oldenburg aus dem Booker-Preis-Roman: "Paddy Clarke Ha Ha Ha"

Auch wer von Roddy Doyle noch keine Zeile gelesen hat, der hat möglicherweise die Welt seiner Bücher auf der Leinwand gesehen. Schließlich feierten die Filme, die auf seinen Büchern basieren, ihre größten Erfolge im Kino. „The Commitments“ von Alan Parker, die Geschichte von der Soulband aus dem Arbeiterviertel Dublins, und „The Snapper“ von Stephen Frears, die Sozialkomödie, in der die Familie trotz Sharons ungewollter Schwangerschaft nicht den Humor verliert, machten den irischen Autor bei uns bekannt.

Heute Abend ist Roddy Doyle in Oldenburg. Im Rahmen einer deutschen Lesereise wird er aus seinem neuen Buch „Paddy Clarke Ha Ha Ha“ vorlesen. Der Band, der auch in der gerade erschienen deutschen Übersetzung den englischen Titel beibehält, wurde im letzten Jahr mit dem begehrten englischen Booker Preis ausgezeichnet.

Mit “Paddy Clarke Ha Ha Ha“ knüpft Roddy Doyle an die Welt seiner ersten Romane an. Immer noch befinden wir uns in Barrytown, der imaginären Arbeitersiedlung von Dublin. Hier lebt der Ich-Erzähler, der zehnjährige Paddy Clarke, aus dessen Perspektive die Hinterhöfe erobert werden.

Man schreibt das Jahr 1968, die Männer im Viertel haben noch Arbeit, und es werden die ersten Soziaiwohnungen gebaut. Ein Ereignis, das Paddy und seine Freunde nutzen, um heimlich in den feuchten Beton ihre Namen einzuritzen - aber nur die Vornamen, damit die Bauarbeiter ihnen nicht auf die Schliche kommen. Wir tauchen ein in die vorpubertäre Welt der kindlichen Heimlichkeiten, der Streiche und Verwandlungen der Erwachsenenwelt. So wird das „Grand National“, Irlands berühmtestes Pferderennen, in Doyles Roman zu einem Hindernisturnier über Garagentore, Hinterhofmauern und Blumenbeete. „Rüber zu den Murphys. Jede Menge Blumen. Schnell mal hingetreten. Um das Auto herum. Fuß auf den Kotflügel. Einmal war Mister McLoughlin beim Rasenmähen gewesen, als wir über die Hecke kamen. Den hätte fast der Schlag getroffen.“

Doch bei allem Schabernack und der fast anarchischen Freiheit, die in dieser irischen Jungenwelt herrscht; es ziehen bald dunkle Wolken über der Neubausiedlung auf. Daran ist nicht nur das sprichwörtlich schlechte Wetter der grünen Insel oder die ebenso sprichwörtliche Armut in Dublin Schuld. Viel entscheidender für den Zehnjährigen: die Ehe der Eltern geht in die Brüche. Das dies eine der zentralen Erinnerungen an die Kindheit, wenn nicht gar die Motivation für's Schreiben war, darauf deutet der ungewöhnliche Titel hin. Mit kindlicher Brutalität wird ein Vers geschmiedet, der sich auf immer eingebrannt zu haben scheint: „Paddy Clarke/ hat keinen Pa / Ha ha ha!“

Roddy Doyle wurde 1958 in dem Arbeiterviertel Kilbarrack geboren. Dort war er nach dem Studium 14 Jahre lang Lehrer für Englisch und Erdkunde. „Paddy Clarke Ha ha ha“ ist wahrscheinlich sein autobiographischster Roman, aber er steht noch für ein anderes Phänomen: Der, der durch die Bildungsleiter aus seiner Schicht heraus klettern konnte, kehrt nun in die Schule seiner Jugend zurück und versucht den kaum vorbelasteten Arbeiterkindern die schöne Literatur beizubringen. Dabei entdeckt er, wie nebenbei, daß die Literatur in den Kindern selbst steckt.

Susanne Raubold

20 Uhr, Aula des alten Gymnasiums, Theaterwall 11, Oldenburg