„In der PDS macht jeder, was er will“

■ Die PDS debattiert über die IM-Tätigkeit ihrer Vizechefin / Gysi beklagt „überzogenen Pluralismus“

Die Herren von der Polizei klingelten freundlich in der Kreisgeschäftsstelle und baten um die Herausgabe von Plakaten und Aufklebern. Es bestehe der Verdacht der Verbreitung faschistischer Symbole. Die Plakate und Aufkleber, die die PDS in der sachsen-anhaltinischen Kreisstadt Salzwedel angebracht hatte, zeigen einen kurzgeschorenen Hinterkopf mit einrasierten SS-Runen. Darunter steht in großen Lettern „Nazis raus aus unseren Köpfen.“ Die Kripo stellte das Werbematerial sicher. Der PDS-Bundesvorstand protestierte. Die Aussage auf dem Plakat sei eindeutig antifaschistisch.

Doch neben solchen, eher abwegigen Beschuldigungen wie in Salzwedel muß sich die PDS derzeit auch mit gravierenden Vorwürfen beschäftigen. Nachdem sich Karin Dörre, Mitglied im PDS-Vorstand im Spiegel kritisch über innerparteiliche Demokratie und verschleiernden Umgang mit der Stasi-Mitarbeit von PDS- Funktionären geäußert hatte, beriet gestern der Bundesvorstand der Partei über die IM-Tätigkeit der brandenburgischen Bundestagskandidatin Kerstin Kaiser. Die stellvertretende Parteivorsitzende hatte bei ihrer Kandidatur zwar Kontakte zum Geheimdienst eingeräumt, aber sich lange davor gedrückt, über das Ausmaß ihrer Tätigkeit zu reden. Damit hatte sie gegen Parteibeschlüsse verstoßen, in denen die Offenlegung der Biographie von allen Kandidaten gefordert wird. Nachdem die Stasi- Akte in der Partei bekanntgeworden war, rechtfertigte sich Kerstin Kaiser damit, sie habe niemandem geschadet.

Obwohl Personalfragen auch in der PDS eigentlich hinter verschlossenen Türen verhandelt wurden, bat selbst die Betroffene am Montag demonstrativ darum, öffentlich über ihre Kandidatur zu diskutieren. Gregor Gysi nannte die Kandidatur „kontraproduktiv“, die Bundestagsabgeordnete Andrea Lederer sprach von „Verharmlosung“. Andere Vorstandsmitglieder jedoch wandten sich gegen „moralischen Rigorismus“ der Kritik. Zu der Aufforderung, im Falle der Wahl das Mandat nicht anzunehmen, konnte sich der Bundesvorstand jedoch nicht durchringen.

Statt dessen verabschiedete man mehrheitlich eine Erklärung, in der kritisiert wird, daß Kerstin Kaiser die Partei nicht umfassend über ihre IM-Tätigkeit informiert habe. Weiter wird Kerstin Kaiser aufgefordert, „mit ihrem Mandat verantwortungsvoll umzugehen.“

Über ein bißchen mehr Verantwortung der Parteimitglieder würde sich auch Gregor Gysi freuen. Nach den Bundestagswahlen, so forderte der Ex-Parteivorsitzende während der montäglichen Vorstandssitzung, müsse die PDS endlich einige Richtungsentscheidungen fällen. Nicht mangelnde innerparteiliche Demokratie sei das Problem der PDS, sondern „überzogener Pluralismus“. „In der PDS macht jeder, was er will.“ Christoph Seils