Goliasch gegen den KGB

■ Sachsens CDU wählt heute neue Fraktionsspitze / Ihr Ex-Chef wehrt sich gegen Spionagevorwurf

Dresden (taz) – Auch ohne den überraschenden Rückzug des bisherigen Chefs der sächsischen Unionsfraktion, Herbert Goliasch (56), wäre die für heute angesetzte Neuwahl der Fraktionsspitze spannend geworden. Noch am Dienstag vergangener Woche hatte der untersetzte, stämmige Mann mit Bürstenschnitt bestätigt, erneut kandidieren zu wollen. Einen Tag später das große Rätsel: Goliasch verzichtete und begründete dies nebulös mit einem anstehenden Gerichtsverfahren, das er unbelastet durch politische Ämter durchstehen wolle. Gegen ihn seien Vorwürfe erhoben worden, die er vor Gericht klären müsse.

Als Konkurrent um den Posten an der Fraktionsspitze stand bereits der bisherige hochschulpolitische Sprecher der Fraktion, Mathias Rößler (40) auf dem Plan. Rößler, der vom „Demokratischen Aufbau“ zur Union kam, zählt zum Reformerflügel. Nicht mit parteiinternem Gezerre zwischen „Blockis“ und Reformern begründete er die Herausforderung, sondern mit Blick auf Biedenkopf: „Wir müssen zum eigenständigen Partner der Regierung werden.“ Eine starke Fraktion soll sich, nach Rößlers Verständnis, mit eigenen politischen Ideen und Lösungsvorschlägen aus dem Schatten des Regierungschefs schon mal herauswagen.

An Goliaschs Stelle im Gerangel um die Macht in der CDU- Fraktion wird heute der stellvertretende Vorsitzende und Generalsekretär der Landespartei, Fritz Hähle (52), kandidieren. „Nicht nur alte Blockpartei-Mitglieder“ hätten ihn in den vergangenen Tagen dazu gedrängt. Hähle, der als talentierter Mittler zwischen den parteiinternen Lagern, aber auch zwischen der Fraktion und der Regierung gilt, rechnet sich „große Chancen“ aus. Rößler werde, nach seiner Meinung, nicht die Mehrheit der Fraktion hinter sich haben. Immerhin gehören ihr vier Minister an, dazu nicht wenige profillose Hinterbänkler, die mit dem selbst für die Union überraschenden Wahltriumph noch Zulauf bekommen haben dürften.

Herbert Goliasch versucht unterdessen, die scheinbar über Nacht aufgezogenen Nebelschwaden um seine Vergangenheit zu lichten und Beschuldigungen zu klären. Rätsel bleiben – für die Öffentlichkeit wie offenbar für ihn selbst. Schon am 7. Juli habe ihn das Landesamt für Verfassungsschutz über Vorwürfe informiert, die eine nicht näher benannte Person vor dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz gegen den ehemaligen Block-CDUler erhoben habe. Die Person behaupte, Goliaschs Führungsoffizier gewesen zu sein. Goliasch sei beauftragt gewesen, für den sowjetischen Geheimdienst KGB die Führungsspitze der CDU unter Gerald Götting zu bespitzeln. Zudem soll er „Messespionage“ betrieben haben, beides zwischen den 70er Jahren und 1987. Goliasch, der 1967/68 im CDU-Hauptvorstand für die Lenkung der Parteipresse zuständig und anschließend beim Thüringer Tageblatt als stellvertretender Chefredakteur tätig war, bestreitet die gesamte Story als „Lüge“. Niemals habe er „offiziellen, inoffiziellen oder vermuteten Kontakt zum KGB“ gehabt, erklärte Goliasch. Biedenkopf ist über die gegen Goliasch erhobenen Vorwürfe von Anfang an informiert gewesen.

Den anonymen Informanten will Goliasch vor Gericht kennenlernen. Zuvor wolle er die Gauck- Behörde und Bundesinnenminister Kanther (CDU) konsultieren. Verdacht hegt er schon: Als Distriktpräsident der Thüringer Mormonen sei Goliasch zwischen 1968 und 1973 durch einen heute unauffindbaren Mitarbeiter für Kirchenfragen des Rates des Bezirkes Erfurt ausgefragt worden. Detlef Krell