: Weltkunst zu Zeiten des Kuckuckseis
■ Fünf Jahre Haus der Kulturen der Welt, Teil 2: Der neue Bereichsleiter für Bildende Kunst, Alfons Hug, übernimmt einen guten Ruf – und einige Probleme
Fünf Jahre nach seiner Gründung ist das Haus der Kulturen der Welt (HKW) einer der beliebtesten und erfolgreichsten Veranstaltungsorte Berlins geworden. Nun gibt es eine Wachablösung: Gemäß einem von Anfang an beschlossenen Rotationsprinzip werden ab sofort neue ProjektleiterInnen das Programm gestalten. Zeit also für einen Rück- und Ausblick.
Als im Februar 1993 die Ausstellung „China Avantgarde“ eröffnet wurde, äußerte sich Wolfger Pöhlmann, damals Bereichsleiter für Bildende Kunst am HKW, sehr zurückhaltend. Was seine Mitarbeiter da zusammengetragen hätten, sei nur ein kleiner Ausschnitt aus der wild expandierenden chinesischen Kunstszene. Dabei war das Zustandekommen dieser Ausstellung, bei der sechzehn Künstler aus dem „Reich der Mitte“ vertreten waren (und weitere 44 im Katalog aufgeführt wurden) eine kleine Sensation. Zum ersten Mal nach 1989, nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, gastierte die junge chinesische Künstlergeneration im Westen.
Die „China Avantgarde“ war nur ein Ereignis unter vielen, mit denen das HKW in den letzten Jahren seinen Ruf als Ausstellungsort spannender außereuropäischer Kunst festigte. Die Chinesen Fang Lijun, Zhao Bandi und Yo Youhan, der Australier Jimmy Pike, der Senegalese Frdric Bruly Bouabré, Eu Nim Ro aus Südkorea, Koka Ramischwili aus Georgien – durch ihre Berliner Auftritte sind sie bekannt geworden.
Wenn es nun in Kürze eine größere Zäsur im bisherigen Konzept des HKW geben sollte, so liegt das nicht nur daran, daß Wolfger Pöhlmann sich nach fünf Jahren turnusgemäß aus Berlin verabschiedet. Denn das künstlerische Programm ist für das nächste Jahr schon weitgehend geplant. Pöhlmanns Nachfolger Alfons Hug wird eine ganze Reihe von Ausstellungsprojekten übernehmen können: Anfang 1995 sollen Höhepunkte der vor kurzem zu Ende gegangenen Biennale in Havanna gezeigt werden, eine Koproduktion mit dem Forum Ludwig in Aachen. Anschließend folgt eine Veranstaltungsreihe rund um die „Zeitgenössische Kunst aus dem Mittelmeerraum“.
Was die für den Sommer geplante Ausstellung von Kunst der Aborigines betrifft, so werden die meisten Künstler nach Berlin eingeladen. Das ist nur konsequent, schließlich entstehen die Arbeiten der australischen Ureinwohner ja immer vor Ort. Nach den auf westliches Kunsthallen-Niveau zurechtgestutzten Präsentationen australischer Kunst in Berlin und in Düsseldorf im letzten Jahr wird man die Kunst der Aborigines damit in Deutschland wohl erstmals richtig kennenlernen können.
Die Pläne im HKW reichen relativ weit in die Zukunft. Was in diesem Herbst jedoch zu sehen sein wird, steht noch nicht fest. Auch über den neuen Bereichsleiter für Bildende Kunst weiß man nicht allzuviel. Alfons Hug kommt, wie die meisten Angestellten des HKW, vom Goethe-Institut. Er leitete die Institute in Lagos, Medellin und Brasilia, ehe er sich um den Berliner Job bewarb.
Gänzlich unbekannt ist Hug hier aber doch nicht: Vor gut einem Jahr machte die von ihm betreute Ausstellung „Arte Amazonas“ in der mittlerweile sanft entschlafenen Staatlichen Kunsthalle Station. Der 45jährige Hug soll in Nigeria auch den Bildhauer und Documenta-9-Teilnehmer Mo Edoga „entdeckt“ haben, und in Brasilia rief er das experimentelle Musikfest „Soundscape“ ins Leben: Klanginstallationen europäischer und brasilianischer Künstler. Die Konfrontation europäischer und außereuropäischer Künstler erfordert viel Fingerspitzengefühl. Mehr eigentlich, als Hug mit „Arte Amazonas“ bewiesen hat: Die geradezu rücksichtslose Präsenz der Westler hatte die übrigen Künstler in dieser Ausstellung an die Wand gedrängt.
Nichts ändern soll sich an der Organisationsstruktur im Bereich Kunst. Neben dem Leiter sind drei wissenschaftliche Mitarbeiter fest angestellt, und projektweise werden weiterhin Fachleute aus den Heimatländern der betreffenden Künstler per Werkvertrag engagiert. Auch der Etat bleibt gleich: insgesamt 2 Millionen Mark pro Jahr, einschließlich der Kosten für Aufbau, Kassendienst und Bewachung. Die Stagnation des Etats bedeutet natürlich eine Kürzung. Bei 2 Millionen frißt die Inflation rund 60.000 Mark jährlich.
Doch das ist nicht das größte Problem des HKW. Die Politik hat dem Haus ja ein Kuckucksei ins Nest gelegt – in Form des Besucherdienstes des Bundestags. Bis Ende des Jahres will die PR-Behörde eingezogen sein, der Raum, den sie beansprucht, wird der Abteilung Bildende Kunst bitter fehlen. Wegfallen wird die Studiogalerie samt dem davorliegenden Gang, in dem bislang überwiegend kleine Fotoausstellungen gezeigt wurden. Nun muß sich Hug nach einem neuen Platz für die „Künstler der Welt“ umsehen, sofern diese Ausstellungsreihe nicht sogar ganz unter die Räder kommt. Ulrich Clewing
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