Fakten, Fakten, Fakten

Mit Schnibben-Schreibe gegen den Schnipsel-Journalismus  ■ Von Klaudia Brunst

Die Welt der Medien dreht sich immer schneller, das globale Dorf schrumpft unter den wachsamen Augen von NBC und CNN zu einer multinationalen Ameisensiedlung zusammen. „Fakten, Fakten, Fakten“, stöhnt Focus-Chef Helmut Markwort, einer der Generalstabschefs der Donnerstags-Info- Offensive, „schneller, höher, weiter“. Nur wer zuerst kommt, mahlt zuerst, kassiert zuerst.

Wie beruhigend, daß es in diesem journalistischen Sumpf noch so integre Kollegen gibt wie den ehemaligen Zeit-Redakteur und jetzigen Spiegel-Reporter Cordt Schnibben, seines Zeichens ein Vertreter jenes Journalismus – so der Klappentext für sein neues Buch „Reklamerepublik“ –, „der sich bewußt absetzt vom asthmatischen Stenojournalismus jener vorgeblich zeitgemäßen Blätter, die sich nun vermehren“.

Da gibt es also wirklich noch einen, der sich Zeit nimmt, der den Dingen wirklich auf den Grund geht: „Ein Viertel aller Journalisten recherchiert pro Tag nicht mehr als eine Stunde“, weiß Schnibben in seiner Einleitung „Wir Schweinejournalisten“ zu berichten und dokumentiert damit sein rückhaltlos kritisches Faktenwissen. Der Autor dagegen trägt wirklich noch Fakten, Fakten, Fakten zusammen, recherchiert in den heiligen Hallen von ARD und Tango, von Feuer und der dpa. Und mit eloquenten Worten und vielen Zahlen bedeutet er uns, wie wir uns in dieser schrecklich unmoralischen Reklamerepublik orientieren sollen: keinesfalls mit den neuen Donnerstagszeitschriften (Focus, News, Tango und Feuer sind verlegerische Sparmodelle: „Wie kann man mit möglichst wenig Journalismus möglichst viele Anzeigen abgreifen?“), aber vielleicht mit dem Spiegel, der diskreterweise beim Schnibben nicht vorkommt, und mit der Zeit, die den wichtigsten Text des Buches, „Die Tortenschlacht“, letzte Woche als Vorabdruck unters Volk bringen durfte.

RTL ist erfolgreich, aber dämlich. Die ARD dämlich, aber nicht erfolgreich. Der Mensch wird von der „zweiten Gewalt“, der Werbung, bombardiert, aber die Werbung verliert ihre Gewalt über den Menschen. Alles wird dumpfer, lernen wir bei Schnibben, kommerzieller, kürzer. Nur Cordt Schnibben darf im Spiegel und der Zeit noch so richtig lang schreiben, steht aufrecht immer auf der richtigen Seite, recherchiert die Dinge auf den Punkt – ein Fighter im Kampf gegen den Schnipseljournalismus eben.

Interessanter als alle dreizehn Artikel über die einzelnen verkommenen Sparten des Jounalismus, als die Abrechnung mit dem Fernsehen und dem Feuilleton, mit Schnipseljournalismus und den dpa-Aufschreibern ist das vierzehnte Kapitel der „Reklamerepublik“ mit dem kurzen, prägnanten Titel „Quellen“. In knappen, erhellenden Worten gibt uns Schnibben hier zu verstehen, wie man in der Reklamerepublik Reklame für seine reklameferne Arbeit macht: Alle Aufsätze der „Reklamerepublik“ standen schon einmal in anderen Zeitschriften, im Spiegel oder der Zeit, zum Teil vor mehr als fünf Jahren. Nix Neues also aus dem Land der Rechercheure, sondern die geschickte Zweitverwertung zeitlos wahrer Erkenntnisse, pünktlich zur Buchmesse eilig zusammengeschustert.

Fazit: Wer als Spiegel-Leser sowieso schon immer mehr wußte, braucht die „Reklamerepublik“ nicht. Denn – so Schnibbens wichtigste Botschaft – auch die Zeit, in der Bücher neue Erkenntnisse verbreiteten, ist vorbei.

Cordt Schnibben: „Reklamerepublik“, Rasch und Röhring, Hamburg 1994, 38 DM