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■ Haitis Polizei prügelte einen Aristide-Anhänger zu TodeHervorragende Zusammenarbeit

Bill Clinton hatte sich in eine verzweifelte Lage hineinmanövriert, Jimmy Carter half ihm aus der Patsche, und ein Haitianer zahlt nun als erster den Preis: Er blieb auf dem Kopfsteinpflaster liegen, totgeknüppelt von einem Schergen der Diktatur. Der US-Präsident hat die Invasion, die er letztlich nicht wollte, angeordnet, weil ihm die haitianischen Machthaber keine andere Wahl mehr ließen. Sein Emissär handelte mit den Machthabern in Port-au-Prince einen Pakt aus, der eine geordnete Besetzung der Insel ohne Blutvergießen zuließ. Der Preis dafür war allerdings hoch: „Die Polizei und das Militär Haitis“, heißt es im Abkommen, „werden mit der militärischen Mission der USA eng zusammenarbeiten.“ Bislang hat die Zusammenarbeit hervorragend geklappt: Die Besetzung verlief in geordneten Bahnen. Blut floß nur aus Körpern verprügelter Demonstranten, die gekommen waren, um die Amerikaner zu begrüßen und die Rückkehr ihres gewählten Präsidenten zu fordern.

Der Herrschaft der Generäle, so hatte Clinton angekündigt, müsse auf Haiti ein Ende gesetzt werden – notfalls mit Gewalt. Nun spricht Generalleutnant Shelton, der die Interventionstruppen befehligt, von der „herzlichen Atmosphäre“, in der er mit dem haitianischen Armeechef General Cédras konferiert habe, und US-Generalstabschef John Shalikashvili stellt nüchtern klar: Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sei Sache der Armee und Polizei Haitis. Die US-Truppen würden nur eingreifen, wenn ihre eigene Sicherheit bedroht sei. Die Sicherheit der Haitianer, mit der die Invasion einmal begründet wurde, wollen die USA jetzt just jenen Haitianern überlassen, die zu vertreiben sie einst einmarschieren sollten.

Das von Carter ausgehandelte Abkommen mag die Kröte gewesen sein, die es zu schlucken galt, um die Risiken einer im Prinzip sinnvollen und vom UN- Sicherheitsrat legitimierten Invasion zu minimieren. Wenn jetzt aber haitianische Polizisten unter den Augen der Besatzungsmacht Demonstranten erschlagen, ist das ein offener Bruch dieses Agreements, das ja „Gewalt und Blutvergießen verhindern und Frieden und Demokratie fördern“ sollte. Die USA haben also allen Grund, den Pakt zu kündigen. Tun sie es nicht, bieten sie Cédras nur Raum für allerlei Manöver und Provokationen. Die Besatzungsarmee wird um die Konfrontation nicht herumkommen – entweder mit den Generälen oder mit der Mehrheit der Haitianer, die eine Rückkehr Aristides wünschen. Die Anzeichen dafür, daß die USA auf eine Normalisierung Haitis ohne den legitimen Präsidenten setzen, mehren sich. Doch dann wird der große Kredit, den die Haitianer den Besatzern entgegengebracht haben, bald verspielt sein. Somalia darf als Warnung gelten. Thomas Schmid

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