Orwos Marktfähigkeit ungeklärt

Die Filmfabrik in Wolfen, von der Treuhand in die Liquidation überführt, hat kaum Mittel, um qualifizierte Arbeitsplätze zu retten / Hoffnung durch Teilprivatisierung  ■ Aus Magdeburg Eberhard Löblich

Orwo-Betriebsrat Hartmut Rönnicke erhebt schwere Vorwürfe gegen die Treuhand. Nach den gescheiterten Privatisierungsversuchen der einstigen Agfa- Stammwerke hatte die Breul-Behörde das Filmwerk Wolfen in die Liquidation überführt. Damit waren sehr weitreichende Zusagen für die Beschäftigung der überflüssigen Mitarbeiter des Betriebes verbunden. Diese sollten durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach Paragraph 249 h des Arbeitsförderungsgesetzes umgesetzt werden. Doch nun hat die Berliner Behörde ihre einstigen Zusagen massiv eingeschränkt.

„Das ist die größte Schweinerei, die ich je erlebt habe“, schimpft Rönnicke. Die Treuhand habe ihre Mittel für diese Beschäftigungsmaßnahmen massiv gekürzt. Unterm Strich kämen nur noch 60.000 Mark pro Beschäftigten und Jahr zusammen. Darin seien allerdings nicht nur Lohn-, sondern auch alle Sachkosten enthalten. „Das bedeutet quasi, daß wir höher qualifizierte Arbeitnehmer in diesen Maßnahmen nicht auffangen können“, klagt Rönnicke.

Damit wäre vermutlich auch die Idee eines Forschungs- und Gründerzentrums dahin, aus dem durch innovative Kleinbetriebe neue Impulse für die Entwicklung des Industriestandorts Wolfen kommen sollten.

In diesem Zentrum sollten auch die noch rund 100 Mitarbeiter des Orwo-Unternehmensbereiches Forschung und Entwicklung integriert werden. „Aber da gehen dann schon 40.000 Mark mindestens an Lohnkosten weg, und in der Forschung und Entwicklung neuer Produkte kommt man mit 20.000 Mark an Sachkosten pro Mitarbeiter kaum allzuweit“, glaubt Rönnicke.

Hoffnung schöpft Orwo nun aus dem Interesse von 20 in- und ausländischen Investoren an Teilbereichen der Filmfabrik Wolfen. Liquidator Gordon Rapp glaubt, daß er durch Teilprivatisierungen bis zu 350 der jetzt noch 750 Arbeitsplätze erhalten kann. 1991 waren in der Filmfabrik noch 10.000 Menschen beschäftigt.

„Es gibt derzeit Verhandlungen mit verschiedenen Interessenten für die Unternehmens- und Produktbereiche Unterlage, Zwischenprodukte, Kalibrierwesen und Konfektionierung“, sagte Rapp gestern. Dabei seien zahlreiche dieser Bereich noch nicht einmal ausgeschrieben.

Derzeit werde auch geprüft, inwieweit ein Teilbereich der Beschichtung, also der klassischen Filmherstellung, weitergeführt werden könne. „Damit könnten wir weitere 160 Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt erhalten“, glaubt der Orwo-Betriebsratsvorsitzende Hartmut Rönnicke. Da sei jetzt aber das Land gefordert. „Schließlich wurde uns von der Landesregierung immer wieder zugesagt, einen Kernbereich von Orwo zu erhalten“, sagt Rönnicke. Das Konzept funktioniere nur, wenn sich das Land Sachsen-Anhalt für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren an einem solchen Unternehmen beteilige oder es sogar als Alleingesellschafter übernehme.

Ein Faß ohne Boden für das Land ...

Doch dies könnte ein Faß ohne Boden für das Land werden, denn noch sind für dieses Konzept zahlreiche technologische und Qualitätsfragen offen, und auch die Marktfähigkeit ist noch völlig ungeklärt.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Horst Gramke (SPD) machte denn auch gleich klar, daß künftig nicht mehr die Unternehmen in den Genuß von Landesbeteiligungen kommen, deren Belegschaften am lautesten danach schreien. „Landesbeteiligungen wird es künftig nur noch bei Unternehmen geben, die von strategischer Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung Sachsen-Anhalts sind“, sagte Gramke gestern in Magdeburg.