Ostfriesennerz statt verpaßter Psychoauftakt

■ Bernd Karbacher trifft heute um 11 Uhr im ersten Halbfinale auf Jewgenij Kafelnikow

Michael Stich hat seine eigene Art von Humor. „Der einzige Vorteil für mich ist, daß ich morgen ausschlafen kann“, kommentierte der weltoffene Kreditkarteninhaber gestern heiter-gelassen das Auslosungsergebnis der Davis Cup-Paarungen.

„Schade, jetzt können wir die Psycho-Geschichte nicht fahren“, deutete ein Medienarbeiter das Ergebnis unter dramaturgischen Gesichtspunkten. Was das alles zu bedeuten hat? Nun, Michael Stich wird zur heutigen Davis Cup-Eröffnung (11.00 Uhr) nicht auf den Mann treffen, der ihm bei seinem letzten Turnier am Rothenbaum im Halbfinale aus dem Wettbewerb entfernte. Die Rede ist von Jewgenij Kafelnikow, den Klischeeliebende als des Elmshorners Angstgegner bezeichnen würden, weil er dem Deutschen in den bisherigen fünf Duellen nur einmal unterlegen ist – vor zwei Wochen bei den US Open.

Teamkollege Bernd Karbacher muß sich an Stichs Stelle mit dem gefürchteten Hobbyangler aus Sochi auseinandersetzen, der nicht nur wegen seines Hobbys ein wenig an den ehemaligen Weltklassespieler Mecir erinnert. Beide neigen zum Extrem: entweder Kreis- oder Weltklasse. Michael Stich trifft im anschließend auf den Kaliningrader Alexander Wolkow.

Niki Pilic, gewiefter aber umstrittener Teamchef der deutschen Mannschaft, hat sich mit der Nominierung von Patrik Kühnen anstelle des verletzten Marc-Kevin Goellner eine Alternative für das Doppel am Sonnabend (High Noon, also 12 Uhr) offengehalten. Sollte sich der Oberhausener Karsten Braasch, der an der Seite des Weltranglisten-Zweiten Stich gegen das russische Weltklasse-Duo Kafelnikow und Andrej Olschowski antreten wird, noch verletzen, könnte ein routinierter Doppel-Spieler einspringen. Lokalmatador Jörn Renzenbrink, der sich Hoffnungen gemacht hatte, wurde vom Teamchef vertröstet: „Mit ihm rechne ich in den nächsten Jahren.“

Stich tritt am Sonntag (11.00 Uhr) auf dem für 100.000 Mark verlegten Hartplatz am Rothenbaum gegen Kafelnikow an, den Schußpunkt des Halbfinals setzen Karbacher und Wolkow. „Wir haben eine gute Chance. Der Boden kommt uns sehr entgegen“, orakelte der russische Coach Wadim Borisow. Sollten die Russen tatsächlich vom Green Set-Belag profitieren und ins Endspiel einziehen, treffen sie entweder auf Schweden oder die USA. Die Deutschen, wenn sie denn siegen, übrigens auch. Eintrittskarten sind an der Tageskasse reichlich vorhanden. Es empfiehlt sich jedoch, einen Regenschirm mitzunehmen. Oder einen Ostfriesennerz. Oder einen Flachmann. Am besten alle drei.

Claudia Thomsen