"Rock'n Roll ist eben so!"

■ Marius Müller-Westernhagen über sein Album "Affentheater", Rock'n Roll, Popstar, Rudolf Scharping und Texte über Huren

Nach zwei Jahren Abstinenz ist Marius Müller-Westernhagen wieder da. Das neue Album Affentheater läßt ihn genau dort wieder einsteigen, wo er aufgehört hat: Die Platte ging innerhalb einer Woche in den Charts von null auf eins, eine Stadiontournee für 1995 durch die deutschen Großstädte ist geplant – alles wie immer. Und auch musikalisch bringt das Album kaum neue Impulse. Immer noch rollingstoned er sich durch seine postpubertären Texte, immer noch findet er es vollkommen gut, „honey“ und „money“ Verse zu vertonen und ab und zu „huhuuu“ zu jauchzen.

taz: Auf der Rückseite des Covers finden wir die drei „Nichts-hören-nichts-sehen-nichts-sagen“-Affen. Ist dies ein Bild für Deine Weigerung, sich mit musikalischen Neuerungen auseinanderzusetzen?

Marius Müller-Westernhagen: Blödsinn! Ich habe immer gesagt, daß ich traditionelle Musik mache, die nicht trendy ist. Außerdem gibt auf der neuen Platte schon Dinge, die ich vorher nicht gemacht habe: Funk-Nummern, ein paar Jazz- und sogar Hip-Hop-Elemente.

Aber die sind rar gesät.

Tut mir furchtbar leid, aber dann bist Du blind und taub. Es mag sein, daß man sich in gewissen Melodien wiederholt, das ist im Rock'n'Roll so. Chuck Berry hat 300 Nummern mit denselben Harmonien geschrieben. Das hat aber doch nix zu sagen.

In „Superstar“ singst Du „ich bin jetzt Sänger bei den Rolling Stones“. Macht Dir deren Greisenaufmarsch nicht Angst?

Nee, ich bin ja auch schon 45. Aber ich finde es auch furchtbar, wie Jagger in dem Alter immer noch in hautengen Hosen rumhüpft. Für meine Begriffe wird das irgendwann geschmacklos.

Thematisch haust Du wieder in die Schmuddelecke, da werden Frauen „benötigt“, da ist das Geld knapp, es gibt Probleme mit –ner Hure.

Du denkst natürlich, daß ich das alles kalkuliert habe, daß ich einen Themenkatalog mache und sage, ein Stück über Dings, ein bißchen Sex. Aber ich bin keine Werbeagentur, ich bin Künstler.

Aber wo bleibt die Glaubwürdigkeit, wenn der reiche und angeblich so glückliche Ehemann Westernhagen Lieder über gemeine Nutten und leere Taschen schreibt?

Rock'n'Roll und auch Texte Schreiben ist etwas sehr Intuitives. Natürlich schreibst Du auch über Themen, die sich für Dich privat eigentlich erledigt haben, die Du aber noch aufarbeitest.

Mitten im Wahljahr erklärst Du im SPIEGEL, „wenn ich in einem Film jemanden besetzen müßte, der kleinen Mädchen unter den Rock greift, fände ich einen Typen wie Rudolf Scharping eine gute Besetzung“.

Das war eine satirische Äußerung. Aber der Scharping ist trotz allem keine Alternative zu Kohl. Der ist wie der Kohl. Er ist nur dünner und lügt schlechter.

Ist dann der Popstar der bessere Politiker?

Das glaube ich nicht. Mehr als Begleitmusik ist das nicht. Vielleicht gehen die Leute dann eher wählen, um die Rechten zu verhindern, aber wen kann man denn aus Überzeugung wählen? Vielleicht die Grünen? Die Idee ist wunderbar. Aber möchtest Du wirklich, daß die regieren? Daß wir wieder Gaslaternen kriegen und abends um zehn geht überall das Licht aus?

Und deshalb wollte ich eben darauf hinaus, daß Popstars politisch mehr Einfluß vor allem auf die Jugend nehmen können.

Mir ist das ein bißchen peinlich, diese Selbstzweckgeschichte. Du gibst ein Konzert vor 60.000 Leuten und gehst raus und sagst: „Und übrigens...“ und haust da irgendeinen politischen Spruch rein. Das finde ich peinlich.

Hören Deine Kinder Deine Musik?

Mein Sohn hört hauptsächlich Rap, auch so Hardcoresachen, wo ich immer denke, man, ausgerechnet Deine Texte finden die Leute schmutzig.

Belächelt er Dich also als Musiker?

Neeneenee, der kritisiert. Die neue Platte findet er „cool“.

Fragen: Benjamin von Stuckrad