Hartmuth Wrocklage: Geist statt Geld

■ Hamburgs neuer Innensenator – „vorurteilsfrei, aber nicht naiv“ Von Florian Marten

Mit zwei unabhängigen Ermittlungscombos untersuchen Justiz- und Innenbehörde die Hinweise auf rassistische Polizeifolter und neonazistische Vernetzung im Stadtstaatsapparat. Innensenator Hartmuth Wrocklage: „Ich mache keine Symbolpolitik. Ich werde alles tun, um aufzuklären – und zwar schnellstmöglich“. Wrocklage überlegt auch, das Amt eines Polizeibeauftragten einzurichten, außerdem will er die Einführung des Polizeipräsidenten prüfen.

Der neue Innensenator hatte gestern erstmals die Medien zu sich gebeten, um über Weg und Ziel beim derzeit schwierigsten Politjob Hamburgs Auskunft zu geben: „Es kommt auf den Geist, die Seele an. Ich muß die Menschen in den Uniformen erreichen“. Bedächtig schiebt er das rote Feuerwehrauto, tags zuvor von Krista Sager verehrt, auf dem großen runden Holztisch in seinem Amtszimmer hin und her. „Eigentlich bin ich Humanist – manchmal wundere ich mich, wieso ich eigentlich jetzt auf diesem Stuhl sitze.“

An die Wand gepinnt hat Wrocklage einen großen handgeschriebenen Merkzettel mit „Fünf Freiheiten des Menschen“ in den Worten der amerikanischen Soziologin Virginia Satir. Darunter etwa: „Sehen und Hören, was wirklich ist, nicht, was sein sollte.“ Oder: „Sagen, was ich denke, nicht, was ich denken sollte.“ Diese Merksätze hat Wrocklage seiner Behörde als neue Philosophie mitgebracht. Wie diese sich in der Praxis bewähren soll? Ganz einfach: Wrocklage setzt auf „Motivation“, „Aufbruchstimmung“, „Innovationsschub“.

Noch ist die Vergangenheit als Sparkommissar zu frisch, um gleich den Money-Money-Song seiner Vorgänger anzustimmen: „Das, was wir jetzt angepackt haben, ist erstmal viel wichtiger als ein paar neue Funkgeräte.“ Das Ziel: „Unsere Polizisten müssen mental und seelisch so stark sein, daß sie kritikfähig sind“. Wenig Verständnis hat Wrocklage dagegen hinsichtlich der „Lamoryanz“, mit der einige der 27 suspendierten Beamten immer noch an die Öffentlichkeit treten: „Hier ging es um die Abwendung einer weiteren Schädigung des gesamten Ansehens der Polizei. Und dann sollte es auch möglich sein, harte Maßnahmen einmal loyal zu tragen. Mir wird das ja auch abverlangt“.

Zuhören will der Innensenator nicht nur seinen Untergebenen in Polizei, Verfassungsschutz, Ausländeramt und Polizei. Ein Termin mit amnesty international, „eine Organisation, die ich persönlich ungeheuer akzeptiere“, soll ihm die Kritik an Abschiebepraxis und Polizeigewalt in Hamburg verdeutlichen. Nach außen verspricht Wrocklage „Transparenz wo immer und irgend möglich“.

Ein harmloser Softie also? Der Innensenator drohend: „Ich bin vorurteilsfrei, aber nicht naiv. Mich verlädt man höchstens einmal“. Und Menschenführung in schwierigem Umfeld traut sich der 55jährige sowieso zu: „Als Hauptmann der Reserve hat man mir einmal eine Kompanie Rocker aufgehalst, mit denen niemand zurecht kam. Nach kurzer Zeit waren sie meine Flying Angels – und der Haarerlaß gegen ihre Locken hat mich erst gar nicht interessiert“.

Wrocklage verblüfft die abgebrühte Medienrunde mit immer neuen Schlenkern, die so gar nicht zum herkömmlichen Bild eines Innensenators passen. Beispiel: „Der Verfassungsschutz hat mich schon immer fasziniert. Als Juso in Pinneberg war ich immer der Meinung, der beste Verfassungsschutz sind freie Bürger“. Fazit aus den Reihen der Bild-Redaktion: „Dem Mann geben wir maximal ein Jahr.“