■ Kommentar
: Zeichen und Wunder

Ein Verfassungsschutzsenator, der sich brüstet, als Juso einst mit dem Verfassungsschutz Schwierigkeiten gehabt zu haben? Ein Ausweisungssenator, der an seinem ersten Amtstag den Kontakt mit amnesty international sucht? Ein SPD-Senator, der bei seinem ersten Pressegespräch verspricht, auf die mahnenden Worte der grünen Oppositionsführerin Krista Sager zu hören? Ein Polizeisenator, der als erste Amtshandlung Frauensprüche über „Fühlen“ und „Zuhören“ an seine Wand pinnt? Kann das wahr sein?

Vorläufig ist es wahr. Und wenn Wrocklage einräumt, „nicht der Supermann nach den Kriterien des Ersten Bürgermeisters“ zu sein, dann hat er gleich nochmal recht. Hartmuth Wrocklage ist fraglos ein bislang singuläres Ereignis für den Johanniswall. Auch die ersten Diskussionsrunden mit allen Polizeiebenen, die Einladungen an Kritiker, die Aufhebung der Bunkermentalität – all dies verspricht eine Innenpolitik, welche wir einem Voscherau-Senat nie zugetraut hätten.

Freilich: Der Praxis-Test steht noch bevor. Da muß sich zeigen, ob Wrocklage an seinem Kurs wirklich festhält. Die eigenartige Mischung von Traumtänzertum und realem Veränderungswillen, mit der Wrocklage seine Umgebung derzeit fasziniert, spricht bislang jedenfalls dafür.

Der Härtetest jedoch wird das Doppelspiel von reaktionären Besitzstandswahrern in Polizei, Behörde und Ausländeramt mit der Bild-Zeitung sein. Schon jetzt dürften die entsprechenden Bataillone in Bieber-, Springer- und Strohhaus Kriegsrat halten, wie man sich des Eindringlings bestmöglichst entledigen kann.

Florian Marten