Nicht „wartezimmertauglich“

■ Beschäftigungsprogramm für substituierte Altfixer will in die Neustadt ziehen

Wer sich hier in der Kattenturmer Heerstaße jeden Morgen seinen Schluck Methadon abholt, wird in der Amtssprache als „nicht wartezimmertauglich“ bezeichnet: Altfixer, die schon mehrere Therapien abgebrochen haben, Obdachlose, schwer Verwahrloste. „Die will kein Arzt in seinem Wartezimmer haben“, sagt Georg Kurz, Projektleiter von der Drogenhilfe Bremen. Seit April '93 gehen die „schweren Fälle“ hier ein und aus, ohne größeren Medienrummel im Vorfeld – und ohne Beschwerden von AnwohnerInnen. „Da ist alles ruhig“, bestätigt die Sozialbehörde. Jetzt will die Drogenhilfe ihr Angebot für die Altfixer ausweiten: In der Neustadt hat sie Räume gefunden, wo den Junkies nicht nur der morgendliche Schluck, sondern tagsüber auch Arbeit und Beschäftigung geboten werden sollen. Für dieses Projekt erhofft sie sich nun die Unterstützung des Beirates.

In Bremen sind mittlerweile 760 Menschen im seit vier Jahren laufenden Methadonprogramm – die meisten werden bei niedergelassenen Ärzten substituiert, einige im Knast. Zusätzlich legte die Sozialbehörde 1992 Programme für drogenabhängige Prostituierte und sogenannte Altfixer auf. Für letzteres richtete die Drogenhilfe in ihrem seit 1990 bestehenden Wohnprojekt in der Kattenturmer Heerstraße eine Arztpraxis ein, stellte eine Sozialpädagogin ein, und seitdem werden hier rund 30 langjährige Junkies substituiert. Gleichzeitig bietet die Drogenhilfe 21 von ihnen Wohnplätze in ihren drei betreuten Wohnprojekten an. Der tiefe Fall ins „Substitutionsloch“ soll damit aufgefangen werden: Wer jahrelang der Droge hinterherjagte und mit Beschaffungskriminalität beschäftigt war, bei dem bricht mit der Einnahme von Methadon die große Langeweile aus, zumal Arbeitsstellen für Substituierte höchst selten zu bekommen sind. Die Folge: Beigebrauch und das Abrutschen in die alte Szene.

Um das zu verhindern, reicht auch betreutes Wohnen nicht: Schief ging allerdings der Versuch, die Altfixer im Betreuungscaf JES zu beschäftigen. „Weil die eben lieber mit Leuten ohne Beigebrauch arbeiten“, so Georg Kurz von der Drogenhilfe. Am neuen Standort in der alten Sackfabrik an der Großen Johannisstraße will die Drogenhilfe nun selber zwei Arbeitsgruppen für zunächst maximal 16 Leute installieren: eine Tischlerwerkstatt, die Möbel aus den Wohnprojekten und aus Schulen und Kindergärten repariert, und ein „Reinigungstrupp“, der in der Neustadt Grundstücke von Schulen, Kindergärten und Kinderspielplätzen vom Dreck, den die Drogenszene verursacht, befreit. So jedenfalls die Planungen. Anfang nächsten Jahres soll es bereits soweit sein.

Doch zunächst wird unter den NeustädterInnen noch heftig um das Vorhaben diskutiert werden: Um breite Akzeptanz bei der Bwevölkerung zu erreichen, haben Drogenhilfe und Beirat am kommenden Donnerstag zu einer AnwohnerInnenversammlung in die Alte Mensa am Neustadtswall geladen. Am 6. Oktober wird das Altfixerprojekt zusammen mit den Plänen, eine Beratungsstelle für Substituierte in der Kornstraße einzurichten, im Beirat öffentlich diskutiert werden. „Wir fahren da einen ganz offensiven Kurs“, sagt Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer, „das kann man nicht an den Leuten vorbei einführen.“ Die Drogenhilfe wird als Argument jedenfalls ihre guten Erfahrungen in Kattenturm auffahren können. Denn von dort wandert zwar „immer mal wieder jemand in den Knast“, so Kurz, häufiger aber werden Substituierte so stabilisiert, daß sie „wartezimmertauglich“ wurden – oder gar eine eigene Wohnung fanden. skai