Heck-Nachfolger schwarz oder grün

■ Fraktionsdisziplin bei Viertel-Ortsamtsleiter-Wahl / Wird Bücking von van Nispen boykottiert?

Ein schwarz-grünes Kopf-an-Kopf-Rennen mit leichten Chancen für AußenseiterInnen – das ist die Situation vor dem entscheidenden zweiten oder dritten Wahlgang für den Posten des Ortsamtsleiters Mitte/Östliche Vorstadt. Am Mittwoch abend war im rappelvollen Bürgerhaus Weserterrassen Schaulaufen der KandidatInnen: Es ging um die Nachfolge von Hucky Heck, der im Mai entnervt von den Problemen zwischen Beiräten und Verwaltung das Handtuch geworfen hatte. Eine öffentliche Begutachtung der acht KandidatInnen, die die Beiräte aus den 31 Bewerbungen ausgesucht hatten. Doch die Präsentationen der BewerberInnen ließen die JurorInnen kalt: Abgestimmt wurde nach klar vorhersehbaren Fronten zwischen den Parteien.

Die von den Parteien gesponsorten Bewerber Huse (CDU), Mentzen (SPD) und Bücking (Grüne) bekamen jeweils (fast) die Stimmenzahl ihrer Fraktionen: Huse 9, Mentzen 6 und Bücking 7, dem damit rechnerisch eine grüne Stimme fehlte. Deutlich anders sieht es bei den AußenseiterInnen aus: Die fünf bekamen jeweils zwischen keiner und zwei Stimmen für ihre Bewerbung, bleiben aber bis auf einen alle im Rennen.

In den Tagen bis zur entscheidenden Wahl am kommenden Dienstag sind jetzt für Verhandlungen und Spekulationen Tür und Tor geöffnet: Wie lange hält die intern sowieso zerstrittene SPD-Fraktion an ihrer Kandidatin fest, die sie allein nicht durchdrücken kann? Gehen Teile von ihr mit den Grünen zusammen, um Huse zu verhindern? Kriegt Huse auch im 3. Wahlgang alle CDU-Stimmen? Finden Grüne/SPD noch einen Kompromißkandidaten? Und wie verhält sich Innensenator Friedrich van Nispen, dem es obliegt, nach „Anhörung des Beirats“ seinerseits dem Senat einen Kandidaten für den Ortsamtsleiterposten zu präsentieren?

In vergangenen Jahren war noch nie ein eindeutiger Beiratsvorschlag vom Innensenator übergangen worden, doch diesmal könnte das durchaus anders werden – jedenfalls dann, wenn Robert Bücking gewählt werden sollte. „Es handelt sich beim Ortsamtsleiter um eine A-14-Stelle des höheren Dienstes, für die normalerweise ein Hochschulabschluß erforderlich ist“, erklärte gestern Jens Knudtsen, van Nispens Referent für Beiratsangelegenheiten, auf Anfrage. Außerdem müsse man verlangen, daß der Kandidat „mit Recht umgehen kann“ – zum Beispiel durch Erfahrung in der Verwaltung, in einer Fortbildung oder im Studium. Eine Entscheidung „nur nach Parteimehrheit“ komme jedenfalls nicht in Frage, schließlich habe auch der Beirat betont, er wolle sich strikt nach Qualifikation entscheiden, so Knudtsen.

Nun hat Robert Bücking aber kein Hochschuldiplom, hat nie einen Job in der Verwaltung gehabt und Erfahrung mit dem Recht nur als Angeklagter in zahlreichen politischen Prozessen sammeln können. Aber auch Hucky Heck hatte all diese Erfahrungen nicht, bevor er 1988 Ortsamtsleiter wurde. „Wir waren mit Heck rundum zufrieden“, sagt dazu Innenressort-Referent Knudtsen, „aber heute würde auch er kein Ortsamtsleiter mehr werden.“ Denn inzwischen stelle das neue Beirätegesetz höhere Anforderungen an dessen juristische Vorqualifikation.

Bei der Kandidatenpräsentation am Mittwoch abend spielten diese Einwände noch keine Rolle. Robert Bücking, inzwischen parteiloser Unternehmer in der Neustadt, verwies auf „15 Jahre Erfahrung in außerparlamentarischer Arbeit“ in der Friedens- und Öko-Bewegung, wo er gelernt habe, „Frust wegzustecken“. Bücking wollte das Amt des Ortsamtleiters neben der Verwaltungstätigkeit auf jeden fall auch politisch verstanden wissen und forderte engagiert die Entlastung des Stadtteils von der offenen Drogenszene („Diese Massierung überfordert die Menschen“).

CDU-Kandidat Bernd Huse aus dem Beirat Schwachhausen und Sprecher des Gesamtbeirates, plauderte dagegen unverbindlich von seinen Erfahrungen und Erfolgen in diesen Gremien, versprach im Fall der Wahl, sich um „Konsens zwischen den Bürgern“ zu bemühen, die Neutralität zu wahren und die BürgerInnen „mehr in die Politik zu holen“. Auf konkrete politische Fragen antwortete Huse: „Diese Frage sollten Sie sich selbst stellen, denn der Ortsamtsleiter bestimmt nicht die Politik.“

Einen nicht weniger blassen Eindruck hinterließ die SPD-Kandidatin Anne Mentzen, Mitarbeiterin bei der Zentralen Aufnahmestelle für AsylbewerberInnen. Sie wolle das Beirätegesetzt „mit Leben erfüllen“, zwischen der „Macht in der Innenstadt“ und der Bevölkerung vermitteln und sich für „mehr Allgemeinwohl“ einsetzen. Mentzen teilt die Vorgaben des Drogenhilfeplans aus dem Senat und sah in der Situation, die zum Rücktritts von Heck geführt hatte, keinen Grund, vor dem Posten zurückzuschrecken: „Vergangenheit ist Vergangenheit, die Probleme erfordern diplomatisches Geschick.“

Für Aufsehen sorgte dagegen die Außenseiterkandidatur von Wiebke Rendigs (1 Stimme), Personalrätin beim Amt für Soziale Dienste. Sie betrachte das Amt vor allem als „Serviceleistung für BürgerInnen, Initiativen und die Verwaltung“, die die Anstöße für Politik von unten umzusetzen habe. Sie sehe durchaus die „schrecklichen, schwindenenden Kompetenzen der Beiräte“, aber ihre Verwaltungserfahrung habe sie dazu gebracht, der „Dennoch-Methode“ anzuhängen. Erfahrung in politischer Arbeit habe sie in der Gewerkschaft und bis 1989 in der DKP gesammelt. Eine Antwort auf die Frage des grünen Beirats Peter Puppe, wie sie ihre Rolle „als Frau“ in der Ortsamtsleitung sehe, ersparten der Kandidatin anhaltende „Buuhs“ aus dem Publikum.

Blaß blieben die Kandidaten Jörn Diers (2 Stimmen) und Werner Knappe (keine Stimme). Knappe, selbst als Beirat für die Grünen in Mitte vertreten, wird bei den entscheidenden Wahlen wieder auf der anderen Seite des Tisches sitzen. Er zog seine Kandidatur zurück, enttäuscht über „die Art der Diskussion bei den Grünen: nicht inhaltlich, sondern nur an Macht und Koalitionen orientiert.“

Außenseiterchancen rechnet sich noch Bernd Scheda (2 Stimmen) von der Geschäftsführung des Lagerhauses Schildstraße aus: „Die Toten werden erst nach der Schlacht gezählt“. Neben seiner Kenntnis von der Lage des Stadtteils werde er von der Bevölkerung akzeptiert, habe das Image, unmögliche Projekte durchzusetzen und sehe in seiner Geschäftsführung des Lagerhauses so etwas wie ein kleines Abbild des Ortsamtes.

bpo/Ase