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Falschgeld am Bankschalter

■ Achtundzwanzig Monate Knast für 15.500 falsche Dollar / Unachtsame Banken gaben eingetauschte Blüten an Kunden weiter - die dann im Knast landeten

Der massige Mann mit den blonden Dauerwellen und der Boxernase gerät sichtlich in Verlegenheit. Warum habe er denn die Hundert-Dollar-Noten nicht auf sein Konto eingezahlt, wenn er der Meinung gewesen sei, daß die Scheine echt wären, will der Richter wissen. „Ich wollte nicht in den Verdacht geraten, Geld zu waschen“, flüstert er mit einem Stimmchen, daß genauso dünn ist wie sein Argument.

Vertrieb von Falschgeld lautete die Anklage gegen den neununddreißigjährigen Frank S. und seinen Partner, den dreiundzwanzigjährigen Raiko H. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, am 16. Dezember 1993 von einer unbekannten Person 50.000 falsche US-Dollar für 32.000 Mark erworben zu haben. In den folgenden Tagen, so die Anklageschrift weiter, soll der Beschuldigte Frank S. dann in Filialen verschiedener Banken in Köpenick, Lichtenberg, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Heinersdorf insgesamt 155 falsche Dollarnoten unerkannt umgetauscht haben.

Beim Umtausch der falschen Scheine in echtes Geld leisteten Banken aktive Hilfestellung. Die Sparkassenangestellten hatten durchweg an der Echtheit der Dollarnoten keine Zweifel. Eine Beschäftigte einer Sparkassenfiliale in Hellersdorf will zwar bemerkt haben, daß die Geldscheine abfärbten. Dennoch nahm sie den Umtausch vor, bestätigte sie als Zeugin vor Gericht. Allerdings habe sie sich von dem Angeklagten Frank S. den Ausweis vorzeigen lassen und diesen fotokopiert, führte sie zu ihrer Entschuldigung an. Durch die Unachtsamkeit der Banken wurden die Falsifikate in Umlauf gebracht und an andere Kunden weitergegeben. Mit fatalen Folgen: Einer der Kunden, der sich für seinen Urlaub in den USA mit Dollarnoten bei der Sparkasse eingedeckt hatte, wurde wegen Falschgeldverbreitung in Miami verhaftet. Spöttisch empfahl der Richter am Ende ihrer Zeugenausage der Sparkassenangestellten: „Sie können sich gerne in den Zuschauerraum setzen. Vielleicht kann ihnen der geladene Sachverständige von der Bundesbank einige Hinweise für ihre künftige Tätigkeit geben.“

Der 29jährige Schlosser Bernd J., der den beiden Angeklagten die Blüten verkauft haben soll und sich dafür in einem abgetrennten Verfahren verantworten muß, beschuldigte den Angeklagten Frank S. schwer. Dieser hätte schon vor der Aushändigung der Dollarnoten gewußt, daß es sich um Blüten handelte. Dessen Kompagnon Raiko H. habe dagegen nichts davon gewußt. Für Raiko H. endete der Prozeß mit einem Freispruch. Frank Siegert muß für zwei Jahre und vier Monate hinter Gitter. Peter Lerch

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