Millionenbetrug durch Sozialamtsmitarbeiter

■ Steglitzer Mitarbeiter bereicherte sich und Leiter eines Wohnheims um zwei Millionen / Grüne fordern Konsequenzen

Falls in Bonn wieder einmal mit dem bösen Wort vom Leistungsmißbrauch von Sozialhilfeempfängern Stimmung gemacht wird, dürften die Verantwortlichen im Sozialamt Steglitz rote Köpfe bekommen. Drei Jahre lang nämlich hat ein Mitarbeiter der dortigen Rechnungsstelle in die eigene Tasche und die eines Komplizen gearbeitet, ohne daß der Betrug im Steglitzer Sozialamt aufgefallen wäre. Dies räumte am Mittwoch abend der Sozialstadtrat des Bezirks, Johannes Rudolf (CDU), während einer Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung ein. Für politische Konsequenzen, wie sie die Grünen inzwischen fordern, sah Rudolf allerdings keine Veranlassung.

Der mutmaßliche Betrüger Günter G., gegen den das Bezirksamt nun Strafanzeige erstattet hat, war bis zum August 1994 in der Rechnungsstelle des Sozialamts unter anderem für die Überweisung von Zuwendungen an Aussiedlerwohnheime zuständig. Sehr zur Freude des Betreibers eines Wohnheims in der Weddinger Hochstraße. Statt regulärer 20.000 Mark monatlich bekam dieser von Günter G. das Doppelte überwiesen. Drei Jahre lang war der Deal unbemerkt geblieben. Insgesamt, so erfuhr die BVV am Mittwoch, sei der Landeskasse damit ein Schaden von 2,1 Millionen Mark entstanden. Auch gegen den Betreiber des Aussiedlerheims wurde inzwischen Strafanzeige erstattet. Der Sprecher der Justizverwaltung, Frank Thiel, bestätigte, daß in dieser Sache bereits ermittelt werde.

Inwieweit die Leitung der Steglitzer Sozialbehörde politisch mitverantwortlich für die Millionenbetrügerei war, wollen die Bezirksgrünen nun vom Landesrechnungshof klären lassen. „Je nachdem, was die Untersuchung ergibt“, meint der grüne Bezirksabgeordnete und sozialpolitische Sprecher der Fraktion, Boris Buchholz, „muß der Stadtrat die Konsequenzen ziehen.“ Schließlich, so Buchholz, sei es skandalös, wenn über Jahre hinweg im Amt Geld veruntreut worden sei, ohne daß das den leitenden Beamten der Behörde oder dem Sozialstadtrat aufgefallen sei.

Johannes Rudolf selbst war gestern nicht zu sprechen. Die Schlampereien seiner Behörde sprechen freilich für sich. Günter G. nämlich war, so Buchholz, in der Rechnungsstelle nicht einmal zeichnungsberechtigt. „Während gegenüber Sozialhilfeempfängern jeder Groschen dreimal umgedreht wird“, kritisieren die Grünen, habe in diesem Fall weder der Amtsleiter der Rechnungsstelle noch der Sozialstadtrat wegen der überhöhten Abrechnungen in den vergangenen drei Jahren Verdacht geschöpft. Ans Licht war der Fall erst im August dieses Jahres gekommen, als Günter G. seinen zeitlich befristeten Posten im Steglitzer Sozialamt räumte. Sein Pech: Seine Nachfolgerin fand in seiner ehemaligen Schreibtischschublade belastende Indizien und schöpfte Verdacht, der anschließend bei einer polizeilichen Hausdurchsuchung bestätigt wurde. Uwe Rada