: Weltpolizei spielt Dorfpolizist
■ US-Militärpolizisten sollen haitianische Polizei kontrollieren / Aristide begrüßt Intervention
Washington (taz) – Drei Tage nach Beginn der „Operation Uphold Democracy“ hat die Clinton-Administration nun beschlossen, 1.000 Militärpolizisten als Aufpasser für die haitianische Polizei zu entsenden. Ihre Aufgabe sei es, so US-Verteidigungsminister William Perry, sicherzustellen, „daß haitianische Polizisten keine übermäßige Gewalt einsetzen, wenn Probleme bei der Kontrolle von Menschenmengen auftauchen“. Die Interpretation dieser Formulierung läßt sich, wie so oft, in alle denkbaren Richtungen ausdehnen. Fest steht, daß alle in Haiti stationierten US-Soldaten ab sofort gegen haitianische Polizei einschreiten dürfen, wenn deren Gewaltanwendung das Leben eines Zivilisten gefährdet.
Der Oberbefehlshaber der Invasionstruppen, Generalleutnant Henry Hugh Shelton, hatte am Mittwoch Haitis Militärführer Raoul Cédras aufgefordert, solche Gewaltanwendung in Zukunft zu unterbinden. Cédras hatte erklärt, er könne nicht garantieren, daß sich ähnliche Szenen nicht wiederholten.
Nach amerikanischen Angaben hat Cédras sich in dem Gespräch mit Shelton einverstanden erklärt, die einzige haitianische Armeeinheit mit schwerem Gerät zu entwaffnen und deren gepanzerte Fahrzeuge und Maschinengewehre zerstören zu lassen. US-Soldaten rückten am Mittwoch in deren Kasernen östlich von Port- au-Prince ein. Die haitianische Artillerieeinheit steht unter dem Kommando des haitianischen Polizeichefs Michel Francois und wird für einen großen Teil der Morde an Aristide-Anhängern nach dem Putsch 1991 verantwortlich gemacht. Francois, einer der drei Putschführer, deren Rücktritt die USA urspünglich gefordert hatten, ist seit dem Wochenende untergetaucht.
Flankiert von US-Verteidigungsminister William Perry, Sicherheitsberater Anthony Lake und dem Vorsitzenden des Generalstabs, John Shalikashvili, gab der Priester und Präsident Jean-Bertrand Aristide am Mittwoch endlich seinen Segen zur US-Intervention in Haiti. Aristide dankte den USA und den anderen Teilnehmern der multinationalen Einsatztruppe für ihre Militärpräsenz in Haiti und lobte gar Jimmy Carter für seinen diplomatischen Blitzeinsatz am vergangenen Wochenende, der in letzter Minute aus einem feindlichen einen „freundlichen“ Einmarsch gemacht hatte. Aristide war anfangs außer sich gewesen über das Abkommen, das Carter und der von den Militärs eingesetzte Premierminister Emile Jonassaint unterzeichnet hatten. Darin wird den Putschführern Raoul Cédras und Philippe Biamby eine Rücktrittsfrist bis zum 15. Oktober eingeräumt.
Unterdessen hat die Clinton-Administration begonnen, das in Washington umstrittene Abkommen neu zu interpretieren. Washington wird nach Angaben aus Regierungskreisen kein Amnestiegesetz akzeptieren, das vom derzeitigen haitianischen Parlament verabschiedet worden ist. Darin haben die Cédras-Anhänger eine Mehrheit. Die Legitimation, Gesetze zu verabschieden, habe nur das vom Volk gewählte Parlament, in dem Aristide-Anhänger in der Überzahl sind. Daß dieses eine Amnestie verabschiedet, ist unwahrscheinlich. Andrea Böhm
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