„Im Prinzip richtig“

■ Davis Cup: Karbacher und Stich verlieren in acht Sätzen gegen Kafelnikow und Wolkow Von Claudia Thomsen

Eine Individualsportart praktizieren und doch ganz uneitel in der Gemeinschaft aufgehen – diese anachronistische Möglichkeit bietet fast nur noch der Davis Cup. Denn hier zählen nicht Personen sondern Nationen.

„Spiel Deutschland“ oder „Satz Rußland“ hieß es auch am Freitag vormittag am Rothenbaum immer dann, wenn sich Bernd Karbacher mit seiner beidhändigen Rückhand durchsetzen oder Kafelnikow eine Serie seines pfeilschnellen ersten Aufschlags landen konnte.

Um halb eins – das erste Halbfinalmatch dauerte eben 78 Minuten – schien „Deutschland“ schon unten durch. „Quickie Cup“, murmelte einer, vergrätzt auf einem jener Plätze sitzend, die 100 Mark gekostet hatten. Der sich selbst als ausgesprochenen Pazifisten charakterisierende Russe, der „vor zehn Uhr nur schwer aus dem Bett kommt“, hatte gerade Satz eins und zwei gewonnen (7:6/6:1).

Kein Ereignis bahnte sich an, denn auf den Ex-Regionalligaspieler des TC Iphitos München hatten nur jene der 6.500 ZuschauerInnen im Center Court (10.300 Plätze) gesetzt, die entweder besonders patriotisch oder originell sein wollten. Reichlich Gelegenheit also, die Sonne zu genießen, in katalogdicken Modejournalen zu blättern oder in Kunststofftaschen mit Reit-utensiliendruck zu wühlen.

Die dösig-dicke Luft zerschnitten allein zwölf russische Fans, die ihr Idol wild Fahne schwenkend anfeuerten, als dem 26jährigen Karbacher in der 90. Spielminute der entscheidende Break zum Gewinn des dritten Satzes (6:2) gelang.

Nach zweieinhalb Stunden, vier Sätzen und dem ersten Matchball Kafelnikows war alles vorbei und ein nicht unzufriedener Karbacher – seine letzte Partie gegen Kafelnikow in der zweiten Runde der French Open 1994 verlor er schließlich in vier wesentlich kürzeren Sätzen – kommentierte: „Im Prinzip habe ich richtig gespielt.“ Vielleicht stimmt mit den Prinzipien etwas nicht?

Und dann verlor auch Michael Stich sein Einzel gegen Alexander Wolkow: Nach knapp drei Stunden mußte er sich mit 5:7, 6:1, 6:7, 4:6 geschlagen geben. Und dabei hatte Teamchef Niki Pilic einen Sieg des Weltranglisten-Zweiten bei dessen dreizehnten Daviscup-Einsatz fest eingeplant.

„Wir müssen ausgezeichnet spielen, sonst können wir nicht gewinnen“, hatte Pilic seine Spieler gewarnt. Die Idee war gut, dennoch mußten die Heimcracks mit hängenden Köpfen den deprimierenden 0:2-Rückstand akzeptieren. Nun darf heute im Doppel und in den beiden Schluß-Einzeln am Sonntag kein weiterer Ausrutscher passieren, sonst setzt's was: die erste Heim-Niederlage im Daviscup seit 1985 nämlich.