Unfähig, Schubladen zu finden

■ Matthias Arfmann von den Kastrierten Philosophen über Gysin und das neue Album „Souldier“

Das Jahr 1994 verspricht ein besonders prägnantes im Leben der Kastrierten Philosophen zu werden. Nachdem im Frühjahr Filius David das Hamburger Duo Kathrin Achinger und Matthias Arfmann zur Familie machte, kam jüngst ihre neue Scheibe „Souldier“ auf den Markt. Ohne eigene Texte, dafür mit Passagen aus dem Brion Gysins Buch „The process“, dient das Werk darüberhinaus als musikalische Grundlage für einen Film. Das neue Album pendelt ausgewogen zwischen Rock-, Soul- und soften HipHop-Kraftfeldern und zeigt sich als ein reifes Erzeugnis, welches lokale Verfußung und musikalischen Weltensturm zu verbinden versteht. taz-Mitarbeiter Andreas Dey sprach mit Matthias Arfmann im Familiensitz auf St. Pauli.

taz: Wie wirkt sich Eure neue Dreisamkeit auf die Schaffenskraft aus?

Matthias Arfmann: Als Eltern muß man sich deutlich mehr konzentrieren, viel klarer im Kopf sein. Das ist sogar gut für die Kunst, die man treibt. Es ist eine festgefressene Meinung, daß man mit Kind künstlerisch nicht mehr arbeiten könne, besonders als Frau. Das ist hochgradig sexistisch.

Ist das neue Album Filmmusik? Die Platte war erst da. Jochen Kraus und Florian Schneider von der Münchner Filmhochschule fragten , ob wir einen Philosophenfilm machen wollten. Wir schickten ihnen die ersten Mixe mit Gysin-Texten. So entstand das Projekt.

Was wird das für ein Film?

Es ist eine Art Schwarz-Weiß- Dokumentarfilm mit Statements aus dem Off. Thematisch geht es um Tanger (Marokko, die Red.), Hamburg, Brion Gysin und uns. Die Musik stammt von „Souldier“.

Wie kamt Ihr auf Brion Gysin?

Das war Zufall. Er ist nicht unser Super-Hero, den wir seit 15 Jahren lesen. Wir wollen kein Beatnik-Revival veranstalten, sondern begeistern uns nur für den Roman „The Process“, aus dem wir Passagen weiterverarbeitet haben. Die Platte kann man auch ohne Gysin-Backgroundwissen hören

Warum sind Beatniks, zum Beispiel auch William Burroughs, so angesagt?

Das weiß ich auch nicht, vielleicht wollen die Leute vor irgend etwas fliehen. Oder sie denken einfach, damals sei noch was losgewesen, daß es wild und geheimnisvoll war.

Woher kommt der Name „Souldier“?

Der Titel drückt die musikalischen Gegensätzlichkeiten dieser Platte aus: Soldat als Befehlsempfänger und Seele als Befehlsgeber.

Wie beschreibst Du Eure Musik?

Schwierig zu sagen, sehr schwierig. Ich würde sagen, sie ist eigenständig. Das läßt viel offen. Aber die Unfähigkeit, Schubladen zu finden, kann man auch als Eigenständigkeit auslegen.

Wie sieht die Zukunft der Ka-strierten Philosophen aus?

Wir gehen erstmal auf Tour, dann drehen wir den Film. Musikalisch ist unsere Zukunft wie immer offen. Irgendwann kommt eine Küchenplatte, superspartanisch. Auf jeden Fall wird's kein Punk.

Kastrierte Philosophen: „Souldier“ (Strangeways/INDIGO)