Wende in der Uni-Politik?

■ Bürgermeister gesteht zu: Sparmaßnahmen für die Uni „objektiv unmöglich“ / Ex-Senator Sinn: „Sparquoten strecken“ Von Kaija Kutter

In einem Gespräch mit den Sprechern der 19 Uni-Fachbereiche hat Bürgermeister Henning Voscherau erstmals eingeräumt, daß die Universität die für 1996 und 1997 angedachten Sparleistungen nicht erbringen kann. Dies geht aus einem Gesprächsprotokoll hervor, das der Chemieprofessor Hansjörg Sinn verfaßt hat. Voscherau-Sprecher Franz Klein wollte diese Äußerungen gegenüber der taz weder bestätigen noch dementieren.

Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt, Voscherau halte „den für die Uni vorgesehenen Anteil an den Einsparmaßnahmen in '96 und '97 für objektiv unmöglich“. Deshalb sei eine zeitliche Streckung dieser Sparmaßnahmen unabdingbar.

Bereits vor diesem Gespräch, das am 12. September stattfand, hatte sich der Senats-Chef in einem Brief an Sinn von den Sparmaßnahmen dezent distanziert: „Natürlich will niemand im Senat ,strukturzerstörende' Spareffekte für die Universität, wobei ich nur hoffen kann, daß dies mit der jetzt zwischen Behörde für Wissenschaft und Forschung und Universität verabredeten Liste von Stellenstreichungen noch nicht vermacht ist“.

Wie berichtet, muß die Hamburger Uni im Haushalt –95 die Streichung von 61 Stellen, darunter allein 43 Professorenstellen, hinnehmen. Um Umfang und Auswahl dieser Streichungen hatte es im Mai erheblichen Ärger zwischen Uni-Spitze und Wissenschaftsbehörde gegeben. Fazit von Senator Leo Hajen: „Eine kleinere Uni ist keine schlechtere Uni“. Fazit von Uni-Chef Lüthje: „Die Streichung der Stellen wird zunächst für viele Jahre zu einer Verschlechterung der Lehrbedingungen führen.“

Doch die von Finanzsenator Ortwin Runde verfaßten Eckdaten zur Konsolidierung des Haushalts lassen noch Schlimmeres ahnen. Die Quote, die die Behörden 1995 einsparen mußte, soll auch für '96 und '97 gelten. Nur wird der Betrag noch einmal um die Hälfte erhöht. Für die Uni bedeutet dies einen nochmaligen Sparbetrag von je 7 bis 10 Millionen Mark.

Daß dies technisch nicht geht, weil zu wenig Stellen freiwerden, belegt eine Zahlenkolonne, die Uni-Präsident Jürgen Lüthje zum Bürgermeistergespräch mitbrachte. 1996 zum Beispiel könnten maximal 4 Millionen Mark gespart werden, aber dies auch nur, wenn sämtliche freien Stellen und die Hälfte aller Nachwuchsstellen abgebaut werden. Wenn man dies mache, so Lüthje, „müßte man einen Aufnahmestopp für die Uni verhängen“.

Argumente, die offenbar auch den Senats-Chef überzeugten, der den Fachbereichssprechern zusagte, ein von Prof. Sinn erdachtes Modell zur zeitlichen Streckung der Sparmaßnahmen rechtlich zu prüfen und im Gespräch mit Finanz- und Wissenschaftssenator weiter zu erörtern.

Sinn, der von 1978 bis 1982 Hamburger Wissenschaftssenator war, hatte bereits im Juli vorgeschlagen, die von der Stadt geforderten drei Sparraten über zehn Jahre zu strecken und so für eine schonende Schrumpfung der Uni zu sorgen. Die Sparquote, so die originelle Idee, die Sinn zuvor mit Lüthje absprach, sollte durch Kreditaufnahme abbezahlt werden. Die daraus entstehenden Zinsen müßten durch ein „Übersparen“ in den Jahren 2007 und 2008 getilgt werden. Einziger Haken: Die Stadt darf Personalkosten nicht über Kredit finanzieren. Finanzexperten am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften prüfen derzeit, ob die Uni als Körperschaft öffentlichen Rechts dies darf.

„Die zeitliche Streckung wird geprüft. Wir rechnen das nach“, bestätigt auch Hajen-Referentin Dagmar Jensen. Andererseits seien künftige Sparquoten der Uni noch längst nicht beschlossen.

„Ich freue mich, daß die Politik die Probleme der Uni erkennt und nach strukturverträglicheren Möglichkeiten sucht“, sagt Uni-Präsident Jürgen Lüthje. Andererseits müßte die Spardiskussion nochmal ganz neu geführt werden. „Fragt sich, ob wir, um Arbeitsplätze zu erhalten, nicht besser Einkommenseinbußen in Kauf nehmen“.