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Bestechend telegen

Der Fernsehmoderator d'Arvor nahm Geschenke im Wert von einer Viertelmillion Mark an. Er arbeitet weiter, als sei nichts geschehen  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Nein, ich hatte keine Ahnung, woher das Geld kam.“ Mit seinem berühmten sorgenvollen Blick, der allabendlich zur Primetime auf die französischen Wohnstuben gerichtet ist, hat der Journalist Patrick Poivre d'Arvor diesmal vor dem Untersuchungsrichter gesessen. Allen Ernstes wollte der prominenteste Journalist des Landes dem Ermittler weismachen, daß er bei den Flügen, Urlauben und Hotelaufenthalten dachte, es handle sich dabei lediglich um die Geschenke eines reichen Freundes.

Die Geschenke, die der Blonde mit der sonoren Stimme zwischen 1987 und 1989 entgegennahm, haben einen Wert von 949.000 Franc (umgerechnet rund 288.000 Mark). Absender war die Botton-Gruppe, die ihre Gaben nach den Erkenntnissen des Untersuchungsrichters aus Fälschungen, Hinterziehungen und betrügerischen Bankrotten finanzierte.

Nach dem Stand der Ermittlungen hat das Unternehmen des 39jährigen Lyoners Pierre Botton umgerechnet zehn Millionen Mark Steurgelder unterschlagen. Aus den öffentlichen Mitteln bedachte die Botton-Gruppe unter anderem den konservativen Bürgermeister von Lyon und Ex-Minister, Michel Noir, und den Bürgermeister von Cannes, Michel Mouillot. Doch niemand steckte soviel in die private Tasche, wie Poivre d'Arvor, der betont, daß nichts von alledem irgendeinen Einfluß auf seine Arbeit genommen habe.

Der 47jährige ist seit 1987 Moderator der meistgesehenen französischen Fernsehnachrichten beim Privatsender TF 1. Er hat ein eigenes Literaturmagazin („Ex libris“) und schreibt laufend Bücher, darunter auch ein paar Romane. Er hat Jura und Journalismus studiert und beim Staatsradio und Staatsfernsehen gearbeitet, bevor er zum größten Privaten ging. Wenn Franzosen von ihm sprechen, nennen sie ihn „PPDA“.

Der Untersuchungsrichter ist überzeugt, daß PPDA angesichts seiner „Bekanntheit, seiner Ausbildung, seines intellektuellen Niveaus und der Anforderungen seines Berufes“ sehr wohl über die Herkunft der Gelder informiert war. Zugleich merkt der Richter erstaunt an, daß er mit seinem Jahreseinkommen von 4,5 Millionen Franc (etwa 1,4 Millionen Mark) seinen Lebenswandel durchaus auch hätte selbst finanzieren können.

Die einst staatliche Anstalt TF 1 gehört seit 1986 dem größten französischen Betonunternehmen, Bouygues, das ansonsten Arbeitervorstädte, Stadien und Brücken baut. Der Sender bietet ein laues Programm mit vielen Showeinlagen, Werbung und notorisch strahlenden ModeratorInnen. Die dreiviertelstündige Hauptnachrichtensendung um 20 Uhr, die von PPDA moderiert wird, beginnt mit Sozialem und endet mit Politik. Familiendramen und anderen Gewaltverbrechen widmet sie minutenlange „Reportagen“. Die Einschaltquoten von TF 1 sind die höchsten im Lande – selbst dann noch, wenn Präsident François Mitterrand im Staatsfernsehen France 2 spricht.

Das Verfahren gegen sein Aushängeschild PPDA hat den Privatsender TF 1 nicht beeindruckt. Lakonisch gab eine Nachrichtensprecherin am vergangenen Wochenende bekannt, daß ihr Kollege demnächst in eigener Sache vor einem Strafgericht erscheinen muß. Wenig später saß der Blonde wie jeden Abend im Bild und trug seine Nachrichten mit der üblichen gekrausten Stirn vor.

Warum sollte auch ausgerechnet PPDA klein beigeben? Schließlich befindet er sich als Bestochener in der Gesellschaft von Spitzenpolitikern beinahe aller Parteien sowie zahlreichen amtierenden Bürgermeistern. Und die übrigen Günstlinge seines „reichen Freundes“ Pierre Botton gehen schließlich auch ihren Geschäften nach, als sei nichts geschehen. Allen voran Michel Noir, der Bürgermeister von Lyon. Er bereitet gerade seine neue Kandidatur für die Rathauswahlen im kommenden Jahr vor.

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