Berlusconi auf allen Kanälen

■ Der Mailänder Tycoon setzt nun auf öffentlich-rechtliches Fernsehen

Der Aufschrei kam vielkehlig, war berechtigt – und ist doch verfehlt: Nach einer handstreichartigen Umbesetzung aller leitenden Posten in den drei staatlichen Fernseh- und Rundfunkkanälen der Radiotelevisione Italiana zürnte die linke Zeitung Il Manifesto in ungewohntem Einklang mit dem sezessionistischen Oberschreier Umberto Bossi von der „Lega Nord“: „Jetzt hat Berlusconi sechs Kanäle – alle, die zu vergeben sind.“ Die gut 40 Privatsender auf regionaler Ebene fallen kaum ins Gewicht – zumal ein Großteil von ihnen ohnehin mit Konserven aus dem Hause Fininvest, der Holding Berlusconis, beliefert wird.

Der Vorwurf, der Ministerpräsident habe sich nun über seine Handlanger im Rundfunkrat auch noch des Staatsfunks bemächtigt, stimmt aber nur insofern, als die Berlusconi-kritische Leitung aller drei Kanäle verschwunden ist. Doch selbst sein Leib-und-Magen- Feind Carlo De Benedetti ließ über seine Tageszeitung La Repubblica verkünden: Unter den Neuen sind nur zwei echte Berlusconi-Männer, der Rest gehört entweder dem immer mehr mit der „Forza Italia“ des Regierungschefs streitenden Koalitionspartner „Nationale Allianz“ oder den parteiungebundenen Teilen liberaler Pressekultur an. Ausgeschlossen blieb neben der Opposition auch die Lega Nord, die Berlusconi schon aus Angst vor heimischer Konkurrenz vom Pressewesen fernhalten möchte, was bereits Anfang der Woche zu Handgreiflichkeiten im Kulturausschuß des Parlaments führte.

Viel interessanter ist jedoch die Frage: Was wird aus Berlusconis eigenen Kanälen, wenn die Staatssender einmal zum Sprachrohr der Regierung geworden sind? Ihre Pressure-Arbeit wird überflüssig, die Konkurrenz zum Staatsfunk reduziert sich auf Parallelveranstaltungen. Gerade die Spannung, die aus dem giftigen Pingpong zwischen den einander befehdenden Anstalten hohe Einschaltquoten ergeben hatte, fällt dann weg. Schon haben nicht wenige PR-Firmen angekündigt, künftig wieder mehr auf Printmedien zu setzen – für Belusconi, der seine angeschlagenen Firmen ja gerade über den Einstieg in die Politik sanieren wollte, müßte das eigentlich ein Desaster sein.

Ist es aber nicht. Die hellsichtigeren unter seinen Kritikern vermuten, daß Berlusconi selbst die Bäumchen wechseln will. Nicht umsonst läßt er Gerüchte kursieren, er werde sein Imperium nun bald verkaufen – Namen wie Leo Kirch und Rupert Murdoch werden als Interessenten gehandelt. Das würde ihm eine große Anzahl von Problemen von Hals schaffen – ein neues Antitrustgesetz würde ihn nicht mehr jucken, seine Schulden – vier Milliarden Mark – würden getilgt, und er könnte freier in der Regierung hantieren.

Vor allem aber käme er einem anderen Ziel näher: der langfristigen Übernahme ebenjener Sender, die er nun hauptamtlich zu verwalten hat – der (noch) staatlichen.

Mit einem Programm immer stärkerer Verknappung der Mittel, Einstellung unliebsamer Sendungen und dem Hinauswurf kritischer Journalisten hat er bereits begonnen, das „öffentlich-rechtliche Fernsehen“ auf Null zu fahren. In absehbarer Zeit wird er es zum reinen „Sanierungsfall“ machen, bei dem nur noch die Privatisierung hilft. Dann käme nach seiner Zeit als Ministerpräsident der Moment, das öffentliche TV als „Retter“ zu übernehmen.

Damit würde ihm eine hochmoderne Sendeanlage mit flächendeckender Übertragungskette auch über Satellit in die Hände fallen – und das ohne Einsatz eigener Mittel. Im Gegenteil: Wahrscheinlich kann er beim Staat auch noch Sanierungsgelder abkassieren. Treuhand läßt grüßen. Werner Raith, Rom