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„Ignoranz vor dem Gesetz“

■ Im Gaza-Streifen und in Jericho gelten Menschenrechte nicht viel / Zweierlei Recht für Palästinenser und Israelis

Jerusalem (taz) – In den autonomen Palästinensergebieten Jericho und Gaza-Streifen herrschen Chaos, Rechtsunsicherheit und Willkür. Die „Prinzipienerklärung“ der PLO und der israelischen Regierung vom 13. September 1993 hat nicht zur Klärung der Rechtslage beigetragen, sondern die Verantwortlichkeiten verwischt, so der Tenor einer hochkarätig besetzten Konferenz, die von Pax Christi International und dem Center for International Human Rights Enforcement (CIHRE) am vergangenen Wochenende unter Ausschluß der Öffentlichkeit in Ost-Jerusalem stattfand. Eine Vielzahl von Vertretern von Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen aus den USA, Japan, Israel, Palästina und Europa, Vertretern der UNO, der Weltbank, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, der Europäischen Union, des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA sowie Abgeordnete aus Großbritannien, Irland, Norwegen, Frankreich und etliche Völkerrechtler nahmen daran teil. Deutschland glänzte durch Abwesenheit.

Die außerhalb der Region häufig anzutreffende positive Grundstimmung gegenüber dem Aussöhnungsprozeß findet man vor Ort nicht vor. Dort erscheint die Lage wenig hoffnungsvoll. Für Ruth Gavison, Professorin für Menschenrechte an der Hebräischen Universität und Mitglied der Association for Civil Rights in Israel (ACRI), ist die Lage „schwieriger geworden“. Nach der Vereinbarung von Oslo könne Israel nicht mehr als Besatzungsmacht in den autonomen Gebieten angesehen werden, für die Einhaltung der Menschenrechte seien die Palästinenser selbst verantwortlich.

Für die ACRI-Anwältin Tamar Peleg-Sryck sind die autonomen Gebiete weiterhin besetzt, „aber auf eine andere Art und Weise“. So seien die Militärverordnungen weiterhin in Kraft, und der Militärkommandeur behalte die Befehlsgewalt. „Die Palästinenser haben eine große Verantwortung, aber wenig Macht.“ Die zahlreichen Genehmigungen, die zur Bewältigung des täglichen Lebens notwendig seien, würden weiterhin von den Israelis erteilt. Im Unterschied zu früher müssen nun die Anträge formal über die palästinensischen Behörden laufen, was zur weiteren Bürokratisierung beitrage. Die Zeit bis zur Erteilung oder Ablehnung werde verlängert. Dieses Kontrollsystem diene auch der Disziplinierung der Opposition.

Palästinenser und Israelis unterliegen im Gaza-Streifen zwei völlig verschiedenen Rechtssystemen. Für israelische Siedler gilt israelisches Recht, für Palästinenser Militärverordnungen sowie Versatzstücke von osmanischem, ägyptischem und neuerdings „PLO- Recht“. Diese neue Rechtskreation hat Jassir Arafat aus den PLO- Lagern im Irak, Jemen, Syrien und Tunis mit nach Gaza gebracht. Er läßt es in Militärgerichten von juristisch inkompetenten Militärs anwenden. Für Achmad Sayyad, Direktor des Mandela-Instituts für politische Gefangene, regiert bei den Zivil- und Militärgerichten „die juristische Inkompetenz“. Nach Fateh Azzam von der Menschenrechtsorganisation al-Haq herrscht in Gaza „Ignoranz vor dem Gesetz“. Arafat als Chef der Selbstverwaltung sei nicht berechenbar. „Diese Strukturen produzieren Chaos“, so Azzam.

Charles Shamas, Direktor von CIHRE, forderte den Einsatz der Drittstaaten für wirklich freie Wahlen in den Autonomiegebieten. Es gebe Anzeichen, daß weder die PLO noch Israel an solchen interessiert seien. Die NGOs müßten ihre eigenen Regierungen und das EU-Parlament bedrängen, so Tijl Declercq von Pax Christi. „Es muß ein Lobbying für einen wirklichen Frieden beginnen.“ Ludwig Watzal

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