Lockrufe aus Asien Schnarchen aus Europa

Treffen der EU- und Asean-Staaten soll die Wirtschaftsbeziehungen ankurbeln  ■ Von Annette Jensen

Jedes Land kann sein ökonomisches Schicksal selbst bestimmen“, behauptete gestern der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl. Am scheinen ihm ostasiatischen Länder diesen Grundsatz verstanden zu haben: „Motivierte, ausgebildete und lernbereite Menschen sowie fiskalisch disziplinierte Regierungen, die die Unternehmerinitiative fördern“. Das sei das Rezept der Erfolgsstory.

Den Außenministern und Wirtschaftsbossen der sechs Asean- Staaten, die sich seit Donnerstag mit ihren Kollegen aus der Europäischen Union in Karlsruhe und Stuttgart treffen, werden Stihls Ausführungen gefallen haben. Sie wollten am liebsten über Wirtschaft und nur über Wirtschaft sprechen.

Der DIHT-Chef kam ihnen dabei entgegen: „Kulturelle Besonderheiten“ in den asiatischen Staaten, zum Beispiel geringere Sozialstandards und fehlende Arbeitsschutzvorschriften dürften kein Wirtschaftshemmnis sein. Offene Märkte seien nun mal die beste Voraussetzung für die Lösung von Sozial- und Umweltproblemen. Was die Umwelt angeht, so liefert Stihl seit langem das nötige Gerät: Mit den Kettensägen aus seiner Firma wird der Regenwald in Ostasien und anderswo im rasenden Tempo abholzt.

Jahrzehntelang haben die westeuropäischen Länder den USA und Japan das Feld in Ostasien überlassen. Jetzt versuchen sie, Anschluß zu finden. Denn die „Tiger“ (Singapur, Hongkong, Taiwan und Südkorea) und die Asean-Staaten (neben Singapur auch Indonesien, die Philippinen, Thailand, Malaysia und Brunei) verzeichnen, bis auf die Philippinen, durchschnittliche Wachstumsraten von sechs Prozent.

Viele Wissenschaftler gehen davon aus, daß die nächste Welle industrieller Innovation, insbesondere in der Biotechnologie, und der Mikroelektronik im pazifischen Raum erdacht werden wird. Die älteren, arbeitsintensiven Branchen treten die Schwellenländer dann jeweils an die weniger entwickelten Nachbarn ab. Schon in den letzten Jahren ließ sich das beobachten: Schiffbau, Stahl- und Bekleidungsherstellung wurden zunächst von Japan in die Tigerstaaten verlagert und inzwischen in die Niedriglohnländer Thailand, Philippinen und Indonesien weitergegeben.

In Jakarta beispielsweise finden Unternehmer schon für drei Mark Tageslohn Arbeitskräfte; in weniger entwickelten Landesteilen schuften die Menschen gar für weniger als zwei Mark.

Dennoch sind die deutschen Investitionen in des Asean-Staaten kaum der Rede wert: In Thailand waren es 1991 gerade einmal 211 Millionen Mark und in Malaysia etwa halb soviel. In Singapur wurden in den letzten Jahren insgesamt knapp 1,5 Milliarden Deutschmark zum Kauf von Fabriken und Maschinen ausgegeben. Der Handel von und nach Asien allerdings wächst beträchtlich. Etwa 13 Prozent des deutschen Exports geht dieses Jahr dorthin; 1992 waren es noch zwei Prozent weniger. Die größten Zuwächse verzeichneten allerdings die kleinen Tigerstaaten, die höher industrialisiert sind als ihre seit 1967 zum Asean-Bund zusammengeschlossenen Nachbarn.

Um die Wirtschaftsbeziehungen anzukurbeln, hat die Bundesregierung die Kriterien für Hermes-Kredite zugunsten der pazifischen Länder verändert, und ein Asien-Pazifik-Komitee (APA) versucht, deutschen Industriellen ein Engagement in der fremden Gegend zu erleichtern.

Auch die Gegenseite ist eifrig dabei, die Bedingungen für Investoren aus dem Ausland zu verbessern. Indonesien erlaubt Ausländern seit letztem Jahr, ganze Firmen zu kaufen und zwingt ihnen nicht länger einen heimischen Joint-venture-Partner auf. In Malaysia erlaubt die Regierung ausländischen Firmen, den nationalen Markt für ein bestimmtes Produkt auf lange Zeit zu besetzen. Außerdem hat das Land die Grenzen für Jobsuchende aus dem Ausland geöffnet, um die Löhne für mögliche Investoren attraktiv niedrig zu halten. Singapur wirbt nicht nur damit, daß es keinerlei Beschränkungen im Waren- und Kapitalverkehr gibt. Das kleine, autoritär geführte Land preist auch seine oft hochqualifizierten, zum Teil extrem billigen, aus Malaysia importierten Arbeitskräfte als Standortvorteil an.

Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren der Anteil der Armen in den Asean-Staaten verringert, bestätigen Menschenrechtsgruppen. Aber auch wenn es absolut gesehen weniger Arme gibt – die Schere zwischen arm und reich ist extrem weit aufgeklappt, gerade in ländlichen Gegenden profitieren wenige von dem Boom. Folge: Die Slums rund um Bangkok, Jakarta und Manila wachsen. Und was die ökonomischen Erfolgsdaten noch verschweigen: In Indonesiens Hauptstadt mußten viele Menschen weichen, weil Golfplätze zur Erleichterung von Geschäftskontakten gebaut wurden. Die Regierenden hatten festgestellt, daß ihre internationalen Businesspartner die informelle Atmosphäre wohl zu schätzen wußten.