Castor wartet auf den Bundeskanzler

■ Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn wirft der Gesellschaft für Nuklear-Service Ordnungswidrigkeit vor

Hannover (taz) – Monika Griefahn hat es nun amtlich verkündet. Sie will dem vom AKW Philippsburg nach Gorleben geplanten Castor-Tranport förmlich die Zustimmung verweigern. „Die Gesellschaft für Nuklearservice ist beim Beladen des Castor-Behälters wiederholt erheblich von den vorgeschriebenen Verfahrensweisen abgewichen, ohne dafür unsere Zustimmung einzuholen“, begründete Niedersachsens Umweltministerin gestern ihre Entscheidung. So sei die GNS etwa bei der Entwässerung des Behältertrocknung und auch bei der Messung der Feuchtigkeit des gefüllten Castors von den Vorschriften des für die Beladung maßgeblichen Betriebshandbuches abgewichen und habe damit gegen atomrechtliche Genehmigungen verstoßen.

Beim Beladen des Castors, so das Argument, sind eigenmächtige Abweichungen von den Vorschriften des Betriebshandbuches nicht erlaubt. Die Mitarbeiter der GNS sind ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß jede Abweichung von den Vorschriften dem Umweltministerium in Hannover vorher anzuzeigen ist. Die GNS hatte daraufhin beim Bundesamt für Strahlenschutz angefragt und auch von dort diese Anzeigepflicht bestätigt bekommen.

Gehandelt wurde aber nach Gutdünken. Die GNS hat bisher noch nicht einmal nachträglich die Abweichungen von den Vorschriften angezeigt, die sich aus den zahlreichen Pannen beim Beladen des Castors ergaben. Für Monika Griefahn steht deswegen jetzt nicht nur die amtomrechtliche Zuverlässigkeit der GNS in Frage, sondern auch die der Zwischenlagergesellschaft BLG, die ebenfalls ihrer Informationspflicht nicht nachkam ist. Darüber hinaus hält das niedersächsische Umweltministerium den Behälter zwar für transport- und auch kurzfristig lagerfähig, stellt aber die sogenannte „Langzeitsicherheit“ in Frage. Griefahn erinnerte daran, daß beim ersten Beladeversuch eine Dichtung zerquetscht worden war. Über den Zustand der Ersatzdichtung seien zuverlässige Aussagen kaum möglich – gleichwohl sollen die radioaktiven Brennelemente bis zu vierzig Jahre lang im Castor sicher eingeschlossen bleiben.

Für Ministerin Griefahn stellt dieses Verhalten der GNS-Mitarbeiter eine Ordnungwidrigkeit dar. Die Unterlagen will sie der Staatsanwaltschaft zuleiten. Bundesumweltminister Klaus Töpfer wurde schon am Donnerstag informiert. Töpfer seinerseits hat seine Kollegin für Montag zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch nach Bonn geladen. Theoretisch könnte er bereits in diesem Gespräch anweisen, dem Castor-Transport doch noch die Zustimmung zu erteilen. Folgt man allerdings einen Bericht der Oldenburger Nord- West-Zeitung, die sich auf einen Brief Töpfers an Helmut Kohl beruft, soll das Bundeskabinett erst am 29. September über weitere rechtliche Schritte gegen Niedersachsen beraten. Tatsächlich wäre dann mit dem ersten Castor-Transport nach Gorleben vor der Bundestagswahl nicht mehr zu rechnen. Jürgen Voges