Morddrohung und verbaler Totschlag

■ Deutsches Davis Cup-Team unterliegt Rußland mit 1:4 / Stich außer sich Von C. Gerlach

An das Davis Cup-Halbfinale gegen Rußland am Hamburger Rothenbaum wird sich Michael Stich noch lange erinnern. Erst die Morddrohung am Donnerstag, dann die Viersatz-Niederlage tags darauf gegen Alexander Wolkow, die Sonnabend-Pleite im Doppel und zum Abschluß ein sonntägliches 5:7 und 3:6 gegen Jewgeni Kafelnikow – schlechter hätte es nicht laufen können. Auch der Ehrenpunkt zum 1:4 – Bernd Karbachers 6:4 und 6:1 gegen Alexander Wolkow – konnte den Elmshorner nicht aufrichten. Wenn's nach ihm gegangen wäre, hätte die Welt ruhig untergehen können.

Vermutlich waren es ohnehin nur vertragliche Verpflichtungen gewesen, die den 25jährigen gestern vormittag auf den nur spärlich gefüllten Center Court trieben, denn schon am Sonnabend nachmittag war er eigentlich restlos bedient gewesen. Gegen Viertel vor fünf erschien Stich zusammen mit seinem Doppelpartner Karsten Braasch – der futuristischen Sportbrille mit dem Dreißig-Tage-Bart – und Teamchef Niki Pilic zur Pressekonferenz, um sich ausschließlich einer Beschäftigung hinzugeben: Frust rauslassen. Nicht die Fünf-Satz-Niederlage gegen Jewgeni Kafelnikow und Andrej Olchowski kurz zuvor hatte dem Weltranglisten-Zweiten so zugesetzt. Auch nicht der 0:3-Rückstand und das damit verbundene Scheitern im Halbfinale. Sondern, so sagte es Stich mit Verachtung in der Stimme, Christian Thiemann.

Der ist beim Deutschen Tennis Bund (DTB) als Prokurist beschäftigt und war für die Sicherheit verantwortlich. „Ansonsten kümmert der sich um Verträge“, erklärte Michael Stich. Sein Hauptvorwurf: Er habe sich nie ausreichend geschützt gefühlt. Das wäre beim Davis Cup-Achtelfinale in Graz, als er ebenfalls bedroht worden sei, anders gewesen: „Da hatte ich einen Profi als Bodyguard, hier war alles amateurhaft.“

Weshalb ein solcher Ausbruch? Wahrscheinlich standen die 192 Zentimeter Tennisprofi noch immer unter dem Schock der Morddrohung, die ein unbekannter Anrufer gegen ihn und seine Frau Jessica am Donnerstag abend ausgesprochen hatte. So schien es jedenfalls, auch wenn der gleiche Anonyme („Seine Adresse hat er mir nicht gegeben“) am Freitag Entwarnung gab. „Das war ein Scherz. Mir tut es leid“, hatte der Mann, der sich als Boris Becker-Fan outete, zu Stich am Telefon gesagt.

So tiefgehend die Anschuldigungen („Der DTB hat das als Lachnummer abgetan. Ich überlege, ob ich weiter für Deutschland spiele“), so prompt die Reaktion. Nur wenig später versuchte Pressesprecher Jens-Peter Hecht die Wogen zu glätten. „Es waren 17 Kripobeamte in Zivil auf der Anlage“, sagte der DTB-Angestellte, der jedoch einräumte, daß es ein Fehler gewesen sei, Stich über die zusätzlichen Maßnahmen nicht unterrichtet zu haben. Das Tischtuch sei aber noch nicht zerschnitten: „Wir werden uns in den nächsten Tagen zusammensetzen.“ Und voraussichtlich wieder versöhnen. Geld war schon immer ein probates Mittel, Konflikte zu lösen.

Zum Davis Cup siehe auch überregionale Leibesübungen