Götterfunken auf die Mäzene

■ Am Sonntag wird Beethovens Neunte auf der Lürssen-Werft gespielt – „Hohn und Mißbrauch“, so der Vorwurf ans Bremer Musikfest

Beethovens Neunte mit ihrer humanistischen Botschaft, mit all ihrer Freude und ihren Götterfunken in die Montagehalle einer Werft zu plazieren, die seit mehr als 100 Jahren Kriegsschiffe baut und exportiert, das muß als ein Mißbrauch an KünstlerInnen und Kunst verstanden werden.

Das ist die Kernaussage eines Briefes, der am Wochenende von Bremen nach London gegangen ist (s.Kasten). Der Absender ist der Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen gegen Rüstungsexport (BUKO), die AdressatInnen sind MusikerInnen und SängerInnen des Orchestre Révolutionnaire et Romantique und des Monteverdi Choirs sowie deren Gründer und Chefdirigent John Eliot Gardiner. Am Vorabend zum „Tag der deutschen Einheit“ werden sie im Rahmen des Bremer Musikfestes auf der Lürssen Werft in Lemwerder konzertieren. Dort im Stahlhaus unterm Glasdach darf dann wieder einmal Beethovens sinngeplagte 9. Sinfonie erklingen. „Wir finden es wichtig, daß sie wissen, wo Sie am 2.10.94 spielen werden“, schreibt der BUKO.

„Die werden gesehen haben, was da für Schiffe gebaut werden“, meint Thomas Albert, der Musikfest-Organisator, dazu lakonisch und verweist auf den Werftbesuch von VertreterInnen des Chors und Orchesters vor einigen Wochen. Die Ensembles seien zur Zeit auf Tournee und bekämen demnach Freitag nach ihrer Ankunft in der Hansestadt das Schreiben des Buko zu Gesicht. An Absage ist also nicht zu denken. Mit Lürssen als Veranstaltungsort hat Thomas Albert sowieso „kein Problem“. Im Gegenteil, schon des längeren habe er vor, mal in die Werft zu gehen, findet die Halle dort spektakulär, die Akustik sehr gut und den Rahmen sehr interessant und spricht sogar von „Bremens bestem Konzertsaal“.

Werftchef Peter Lürssen ist für Thomas Albert „einer der großen Kulturförderer der Stadt“ und im gleichen Atemzug „ein Vorreiter in der Rüstungskonversion“. Auf eine politische Diskussion lasse er sich als Veranstalter jetzt nicht mehr ein, er wäre eh nicht von seiner Idee abgegangen. Seine Grundhaltung ist, daß das Bremer Musikfest neue Wege gehen soll; Thomas Albert denkt in Publikumszahlen und setzt beharrlich auf das Mäzenatentum der Bremer Wirtschaft: „Wir hatten ja früher keinen Fürst hier. Wenn also eine der traditionellsten Firmen in Bremen das Musikfest unterstützt, dann hat das Linie.“

Linie hat das auch für die Geldgeber des Konzertes, die Unternehmensverbände im Lande Bremen e.V. „Wir haben uns schon was dabei gedacht, dafür einen namhaften Betrag zu investieren“, erklärt von dort Geschäftsführer Ortwin Baum. „Lürssen ist eine gewichtige Firma, der Schiffsbau eine gewichtige Branche – es kann uns doch nichts Besseres passieren.“ Daß in der Werft „Produkte für die Bundeswehr“ gebaut werden, sei für die Unternehmerverbände okay und „alles andere als eine Belastung“. Es gehe den Sponsoren vielmehr darum, zu zeigen, was Bremen an Wirtschaft habe, nämlich vor allem Metall- und Elektroindustrie. Man wünscht sich mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.

Daß das Konzert bei Lürssen also zufällig nun gerade am Vorabend zum „Tag der deutschen Einheit“ stattfindet, das sei ein glücklicher Synergieeffekt, meint wiederum Thomas Albert. Auch wenn Beethovens Götterfunken – aus Sicherheitsgründen, so die Stadt – nicht wie ursprünglich geplant im Bremer Dom sprühen dürfen. Gerne reiht sich Albert auch mit Lürssen in die offiziellen Festivitäten ein. Glücklicher Zufall? Von Hohn spricht der BUKO: „Wir wissen nicht, ob und welcher Zusammenhang zwischen Waffenproduktion, Waffenhandel und der deutschen Einheit hergestellt werden soll.“

sip