Mach's noch einmal, Adolf Von Mathias Bröckers

Wenn Schattenkanzler Schäuble von „Rückbesinnung auf nationale Identität“ spricht, leuchtet es immer leicht wilhelminisch in der Pupille. So ähnlich wie bei dem Malteser Hündchen meiner Schwiegermutter, wenn es mal wieder, wichtig wichtig, ein paar wohldosierte Tropfen an irgendeinen Baum setzt. Ein derart abgestecktes Territorium ist für den kleinen Hund, der rundum versorgt im Hause lebt, ohne jede praktische Bedeutung. Und doch zuckt bei diesen Markierungsarbeiten in seinem Auge ein heroischer Blick — ein Relikt aus den Zeiten, als das Überleben noch von der Sicherung des Jagdreviers abhing. Als Hitler und Goebbels vom „Volk ohne Raum“ sprachen, appellierten sie an jene Territorialinstinkte — und weil sie dabei euphorisch und ekstatisch glühten, sprang der Funke über: Der Haufen formierte sich zum Rudel, frustrierte Kläffer mutierten zu aggressiven Wölfen.

Eine Wiederholung dieses Wahns wollen die wenigsten, die heute wieder auf die nationale Karte setzten — der neue Nationalismus gibt sich moderat und kommt demokratisch runderneuert daher. Schäuble will die selbstidentischen Teutonen in ein „Kerneuropa“ eingebunden wissen, auch das neonationalistische Pimpf-Feuilleton in Welt und Junger Freiheit hat mit Antisemitismus, Blut und Boden in der Regel wenig zu schaffen. Folgt man dem rechten Chefdenker Nolte, dann sind „Übersteigerungen“, wie sie sich das III. Reich zu schulden kommen ließ, heuer nicht mehr zu befürchten, schließlich waren Morden, Juden-Schlachten und Blutrausch nur eine Reaktion auf Stalin, Gulag und den Bolschewismus. Adolf und die Deutschen konnten damals nicht anders, will uns der Professor damit sagen, wogegen wir es heute, wo der Bolschewismus erledigt ist, es ruhig noch einmal probieren könnten mit dem Nationalismus.

„Hitler kommt so lange wieder, bis wir aus ihm einen Hit gemacht haben“, sagt Wolfgang Neuss, womit er u.a. ausdrücken wollte, daß Immunität gegen Faschismus nicht verordnet werden kann, sondern karmamäßig abgearbeitet werden muß. Wie aber verwandeln wir die häßliche Raupe „Nation“ in den transnationalen Schmetterling, zu dem sie werden muß? Durch Rückbesinnung auf die Raupen- Identität sicher nicht — insofern verrichten die neuen Beschwörer des Nationalen dasselbe archaische Geschäft wie unser kleiner Hund: Als ob es die Realität von Dosenöffnern, Chappi und Zentralheizung nicht gäbe, markieren sie sturheil das Territorium. Nun mag es vielleicht eine ausgefeilte Psychostrategie des Hundes sein, seine Identität als domestizierter Luxussklave dadurch zu stabilisieren, daß er einfach so tut, als sei alles um ihn herum noch echte Wildnis. Dann allerdings wäre er den Neonationalisten intelligenzmäßig ein ganzes Stück voraus; die nämlich glauben wirklich noch daran, mit dem geschlossenen System „Nation“ im Zeitalter des globalen Medien-, Daten- und Warenverkehrs die Zukunft sichern zu können. Ein Wirtschaftsberater, der die Unternehmensphilosophie des 19. Jahrhunderts als Problemlösung für das nächste Jahrtausend empfiehlt, würde zu Recht ausgelacht und gefeuert; es wird Zeit, daß mit Staats- und Politikberatern, die das abgelegte Korsett „Nation“ als neuesten Schrei verkaufen, genauso verfahren wird.