Kampf gegen Schwammspinner

■ „Menschen hautnah: Tom Koenigs“, 21.45 Uhr, West 3

Der Bankier Freiherr von Bethmann hat nur lobende Worte für seinen Stadtkämmerer übrig. Das Establishment der Mainmetropole findet Tom Koenigs „kompetent und intelligent“. CDU-Dressman Michel Friedmann bezeichnet den Grünen, der durch unpopuläre Sparmaßnahmen in die Kritik geraten ist, sogar als „immer ungrüner“. Zynische Worte des Unionsmannes, denn bis zu Walter Wallmanns CDU-Mißwirtschaft war Frankfurt eine der reichsten Städte der Republik. Malte Rauch folgte Tom Koenigs mit der Kamera bei dessen „grünem Seiltanz über leeren Kassen“.

Rauchs Doku ist keines dieser langweiligen Politikerporträts, bei denen eine Wagentür auf- und dann ein Aktendeckel wieder zugeklappt wird, derweil der Porträtierte aus dem Off einen Schwank aus seiner Jugend erzählt. Rauch gelingt es, die Widersprüchlichkeiten der Figur Koenigs aus der direkten Arbeitssituation heraus lebendig zu dokumentieren. Als etwa eine Insektenplage den Frankfurter Stadtwald zu vernichten drohte, hat Koenigs ein paar Milliarden Schwammspinner mit der chemischen Keule entsorgt. Wütende Hardcore-Grüne, um die Mikroorganismen besorgt, formierten sich darauf vor dem Rathaus. Koenigs Kommentar: „Ohne Wald gibt es keine Mikroorganismen mehr.“

Zu Hause hält Koenigs eine Holzschale mit dem Motiv nordvietnamesischer Reisbauern vor die Kamera. Der Sohn des Mitbegründers der Deutschen Bank hat dem Vietcong Ende der 60er dafür zwei Millionen Mark gespendet. Heute kalkuliert er die Geschäfte strenger: „Wenn wir den Dom verkaufen, können wir einen Teil der Schulden abtragen.“ Malte Rauch hat einen Film gedreht über das Ab- und Einschleifen grüner Ideale angesichts real existierender Sachzwänge. In der Zerreißprobe zwischen Basis und Krisis hat Koenigs den Kampf gegen den Autoverkehr bereits verloren. Beim Slalomradeln durch den dichtesten Stadtverkehr der Republik hat es den Grünen via Blechkontakt schon dreimal aus dem Sattel gehoben.

Anschaulich vermittelt Rauch, was es bedeutet, als Blue-Jeans- Politiker den Anspruch auf Wahrhaftigkeit und Transparenz ernst zu nehmen. Den etlichen Go-ins seiner Grünen-Basis, die ein ums andere Mal sein Fraktionszimmer stürmt, fühlt sich Koenigs nur „je nach Nervenstärke gewachsen“. Malte Rauch präsentiert den Marquez-Übersetzer und Aufsichtsratsvorsitzenden der Flughafen AG nicht nur von seiner Schokoladenseite. Gerade darum stimmt Rauchs Vermittlung zwischen persönlichem Hintergrund und politischem Geschäft im positiven Sinn nachdenklich. Manfred Riepe