■ Das Portrait: Willy Claes
Der 1938 in Hasselt in der Provinz Limburg als Sohn eines Musikers geborene belgische Außenminister hat schon fast alle Symphonieorchester seines Landes dirigiert. Künftig soll er als neuer Nato-Generalsekretär für den Gleichklang unter den 16 Staaten der westlichen Militärallianz sorgen.
Was jetzt natürlich als „überzeugende“ und „einhellig“ getroffene Entscheidung über die Nachfolge Manfred Wörners verkauft wird, ist tatsächlich eine VerBald Nato-GeneralsekretärFoto: rtr
legenheitslösung. In der letzten Woche waren alle drei ursprünglichen Mitbewerber ausgeschieden, weil sie auf interessantere Posten hoffen: der Italienier Ruggiero wurde EU-Kandidat für den Generalsekretär der Welthandelsorganisation; der Norweger Stoltenberg will seine Option auf die Nachfolge Butros Ghalis an der UNO-Spitze offenhalten; und der Däne Ellemann-Jensen ist doch mehr an einem Regierungsamt in Kopenhagen interessiert.
Noch bei einer Sitzung der 16 Nato-Botschafter in der letzten Woche hatten die Türkei, Spanien, Dänemark und Norwegen Vorbehalte gegen Claes geäußert. Bedenken gab es bis zuletzt auch in Washington: wegen der führenden Rolle von Claes in der Sozialistischen Partei. Die war in den 80er Jahren entschiedene Gegnerin der Stationierung neuer US-amerikanischer Atomraketen in Westeuropa.
Als tatsächlich problematisch könnte sich allerdings die Berufung von Claes zu einem Zeitpunkt erweisen, da die Nato ihr Programm „Partnerschaft für den Frieden“ mit den ehemaligen Feindstaaten im Osten aufgelegt hat. Die britische Sonntagszeitung Observer berichtet in ihrer jüngsten Ausgabe über eine Rede, die Claes im August 1993 in Wien hielt. Darin unterteilt er die Staaten Osteuropas in eine katholisch/protestantische und eine slawisch-orthodoxe Gruppe. Für die „vom Westen beeinflußten“ Staaten der ersten Gruppe — „Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn sowie hoffentlich Kroatien“ sei die „europäische Integration ein realistisches Ziel“. Nicht jedoch für die Länder „unter byzantinischem Einfluß, Rußland, Ukraine, Belorußland, Rumänien, Bulgarien und Serbien“. In diesen Staaten bestehe „die große Gefahr, daß das von den früheren Regimen hinterlassene Machtvakuum durch neue autoritäre Strukturen gefüllt wird, durch eine Vorherrschaft von Macht über Recht“. Andreas Zumach, Genf
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