Clinton drückt sich vor Bosnien-Zusage

■ Doch keine Aufhebung des Waffenembargos im Oktober?

Genf (taz) – Nach dem Beschluß des UNO-Sicherheitsrates zur Lockerung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien/Montenegro kommt es jetzt zu einer verstärkten Debatte über die Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnische Regierung. Sowohl beim Gipfeltreffen der Präsidenten Rußlands und der USA, Jelzin und Clinton, das gestern abend in Washington beginnen sollte, wie bei der diese Woche eröffneten Generaldebatte der UNO-Vollversammlung in New York steht dieses Thema ganz oben auf der Tagesordnung. Erwartet werden klare Aussagen Jelzins wie der Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens und Kanadas gegen eine Aufhebung. Eine große Mehrheit der 184 UNO-Staaten dürfte bei der (den Sicherheitsrat nicht bindenden) Abstimmung in der Versammlung allerdings für die Aufhebung votieren.

Um einen Konflikt mit den drei Kontaktgruppenstaaten Rußland, Frankreich und Großbritannien zu vermeiden, erwägt US-Präsident Clinton inzwischen, die von ihm bislang für die zweite Oktoberhälfte angekündigte Einbringung einer Sicherheitsratsresolution zur Aufhebung des Embargos (sollten die bosnischen Serben bis zum 15. Oktober den Teilungsplan der Kontaktgruppe nicht akzeptiert haben) zunächst einmal auf das Frühjahr 1995 zu verschieben. Zur Begründung verweisen US-Diplomaten auf den bevorstehenden Winter. Diese Jahreszeit begünstige präventive Militärschläge der bosnischen Serben gegen die Regierungstruppen, mit denen nach einer Aufhebung des Waffenembargos gerechnet werden müßte. Angeblich sei auch die bosnische Regierung nicht an einer Aufhebung des Embargos zum jetzigen Zeitpunkt interessiert, heißt es.

Gegen die Stimmen Pakistans und Dschibutis sowie bei Enthaltung Nigerias und Ruandas hatte der UNO-Sicherheitsrat in der Nacht zum Samstag eine zunächst auf hundert Tage befristete Lockerung der im Mai 1992 verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Serbien/Montenegro beschlossen. In Kraft treten sollen diese Lockerungen, sobald UNO-Generalsekretär Butros Ghali dem Sicherheitsrat offiziell mitteilt, daß Serbien/Montenegro seine Grenze zu Bosnien geschlossen hat und nur noch humanitäre Güter an die bosnischen Serben liefert. Wird nach Eintreten der Lockerungen festgestellt, daß diese Bedingungen nicht mehr erfüllt sind, sollen die Sanktionen binnen fünf Tagen wieder in Kraft gesetzt werden. Bosniens Botschafter bei der UNO in New York, Sacerbey, kritisierte den Ratsbeschluß als „voreilig, unausgewogen und kontraprouktiv“. Der Sicherheitsrat habe Serbien/ Montenegro „belohnt für einige taktische Schritte zur Vortäuschung eines grundlegenden Wandels in ihrer Haltung“. Ähnlich äußerte sich Kroatiens UNO-Botschafter Nobilo. Die UNO verfügt über detaillierte Berichte eigener Beobachter sowie von Unprofor- Militärs über einen regen Hubschrauberverkehr von Serbien in die serbisch besetzten Gebiete Nordostbosniens. Nach den Berichten, die der taz vorlagen, wurden zum Beispiel allein für die Nacht vom 15. September 208 Flüge registriert. Die Berichte enthalten detaillierte Angaben über Flugzeiten und Hubschraubertypen. Die Hubschrauber flogen so niedrig, daß sie von den Awacs- Aufklärungsflugzeugen der Nato nicht wahrgenommen werden konnten.

Deutschlands UNO-Botschafter von Rantzau, der die Resolution zusammen mit seinen vier Amtskollegen aus der Bosnien- Kontaktgruppe (USA, Rußland, Großbritannien, Frankreich) in den Sicherheitsrat eingebracht hatte, erklärte dennoch, die Bereitschaft der Regierung in Belgrad, die Grenzen zu Bosnien zu schließen, habe „belohnt“ werden müssen. Bei Enthaltung Chinas beschloß der Sicherheitsrat in einer zweiten Resolution die Sperrung aller Auslandsguthaben bosnischer Serben. Ihre politischen und militärischen Führer sollen nur noch im Zusammenhang mit internationalen Verhandlungen ins Ausland reisen dürfen. In einer dritten, einstimmig verabschiedeten Resolution werden die bosnischen Serben aufgefordert, die andauernde Vertreibung bosnischer Muslime und Kroaten umgehend einzustellen. Andreas Zumach