Kinkels Fell wird schon verteilt

■ Möllemann kritisiert personelle Schwächen, und Volmer sieht sich bereits als politischen Erben

Bonn/München (taz) – Nicht einmal dem forschen FDP-Generalsekretär Werner Hoyer fiel gestern noch ein Muntermacher ein. Der „Aufwind“, den Hoyer nach den Wahlniederlagen von Brandenburg und Sachsen noch verspürte, war weder am Sonntag in Bayern noch gestern in Bonn zu spüren. Statt dessen probte die FDP zum siebten Mal in Folge Schadensbegrenzung und Mutmachen.

Klaus Kinkel fand für die vielen Niederlagen unter seiner Führung ein schiefes Bild: Die „Regionalligaergebnisse“ würden nun abgehakt, man werde sich „voll auf das Bundesligaspiel am 16. Oktober konzentrieren“. Tatsächlich darf allerdings beim DFB ganz oben nur mitkicken, wer in der unteren Klasse kräftig siegt.

Während Kinkel eine Ampelkoalition nach dem 16. Oktober kategorisch ausschloß, dachten seine Parteifreunde laut über Konsequenzen nach. Wenn es mehrfach Niederlagen von bayerischen Ausmaßen gebe, so erklärte Jürgen Möllemann, dann sei offenkundig, „daß es in der Sache wie mit Personen Schwächen gegeben hat“. Die gelte es auszuräumen, darüber werde man nach dem 16. Oktober zu reden haben. Der Ehrenvorsitzende Graf Lambsdorff will dann auch über Konsequenzen für Kinkel sprechen.

Anders als Kinkel sieht der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, in der Bayern-Wahl „ein bedrohliches Signal“ für das Abschneiden der Partei am 16. Oktober. „Das Ergebnis von 2,8 Prozent kommt einer Ohrfeige für die Bundespartei gleich“, sagte Güllner der taz. Das bayerische Wahlergebnis sei ein „dramatischer Hinweis, wie ernst die Lage für die FDP ist“. Nach Güllners Meinung hätten Wähler, die den Juniorpartner der Bundesregierung halten wollen, angesichts der dramatischen Lage der FDP dieser Partei auch bei der Landtagswahl ihre Stimme gegeben. Es werde aber immer deutlicher, daß die Wähler nach dem Ausscheiden Genschers und Lambsdorffs die Mitglieder der FDP-Regierungsmannschaft für unfähig hielten, die von ihnen versprochene Korrektivfunktion auszufüllen.

Der Institutschef wollte allerdings auch nicht ausschließen, daß eine Zweitstimmenkampagne in den kommenden Wochen den Liberalen noch die nötigen Stimmen sichern werde. Vergangene Woche hatte Forsa für die FDP vier Prozent gemessen. Daß diese Zweitstimmen aus dem Lager seiner Partei kommen, schloß gestern CDU-Generalsekretär Peter Hintze aus. Die FDP müsse es aus eigener Kraft schaffen.

Die FDP als linksliberale Programmpartei in Bonn zu beerben, erklärte sich gestern der Bundesvorstand von Bündnis 90/ Die Grünen bereit. Bei der FDP seien „politische Söldner“ am Werk, die sich von der Union als pure Mehrheitsbeschaffer anheuern ließen, sagte Vorstandssprecher Ludger Volmer. Die FDP habe keinerlei Basis mehr.

Am Tag nach der Bayern-Wahl warben die Bündnisgrünen offensiv um Frauenstimmen. Die SPD-Kandidatin Renate Schmidt habe Wählerinnen aus dem grünen Spektrum gewonnen, aber auf Bundesebene würden eine frauenfreie Troika und die „Macho-SPD“ keinen ähnlichen Effekt erzielen können, prophezeite Volmer. Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle verwies darauf, daß ihre Partei in 13 von 16 Ländern weibliche Spitzenkandidaten präsentiere. Das aus dem Berliner Landesverband stammende Plädoyer für eine Koalition mit der PDS, das in den vergangenen Tagen für Aufsehen gesorgt hatte, bezeichnete Volmer als „dumm und unsäglich“. Es sei die Privatmeinung einiger Mitglieder aus der dritten Reihe, die von keinem Parteigremium diskutiert worden sei. Hans Monath Seiten 3 und 5