■ Kommentar
: Ins Auge schauen

Nicht überall, wo Parlament draufsteht, ist auch Demokratie drin. Vor allen Dingen dann nicht, wenn Parlamentarier auf ihr Recht verzichten und ihre Pflicht ignorieren, das Handeln von Verwaltung und Politik auf Rechtmäßigkeit zu kontrollieren.

Von jeher hat man Bürgern das Recht eingeräumt, der Obrigkeit ihre Beschwerden vorzutragen – doch was nützt es, wenn den Klagen anschließend niemand nachgeht? Dies wäre die Aufgabe der Abgeordneten im Eingabenausschuß der Hamburger Bürgerschaft. Doch die üben sich lieber in Verzicht. Anders kann man es wohl kaum nennen, wenn Politiker, die Verwaltung kontrollieren sollen, sich ihre Meinung ausschließlich aufgrund der Auskünfte derselben Verwaltung bilden. Wenn der Leiter der Ausländerbehörde die Abgeordneten im Ausschuß darüber unterrichten darf, warum er einen Petenten abschieben will, der betroffene Hilfesuchende oder sein Rechtsanwalt aber keine Chance bekommt, eine möglicherweise abweichende Rechtsauffassung darzulegen.

Auch ein Hohn auf die gebetsmühlenhaft proklamierte Bürgernähe, die sich Politiker angeblich doch ach so sehr wünschen. Könnten sie doch haben – aber dann müßten sie sich auch mit dem einzelnen Menschen konfrontieren. Dann wäre alledings Schluß mit Bequemlichkeit und reinem Gewissen. Eine Binsenwahrheit, daß es sich leicht über Akten entscheiden läßt, aber schwer über Menschen, die einem bei der Schilderung ihres Schicksal ins Auge geblickt haben.

Da hält sich manch einer doch lieber weiter an seinem Papierberg fest – auch wenn er dabei die Rechte anderer mit Füßen tritt. Sannah Koch