Alles Banane

■ Das Einheitsprogramm der Kultur (bzw. umgekehrt): Am 3.10. wird gefeiert – egal, wie/ Der Senat setzt auf ein buntes Familienfest, im Schlachthof setzt's Widerworte

„Zum 3. Oktober“, sagt Klaus Sondergeld, „paßt erstmal, daß man feiert“. Hauptsache: fröhlich, irgendwie. Denn ist nicht der Tag der Deutschen Einheit „ein Anlaß zur Freude und zum Feiern“? So jedenfalls sieht es der Leiter der Senatspressestelle. Und so ist auch das Programm, das Herr Sondergeld sich für die Bremer Einheitsfeier vom 1. - 3.10. ausgedacht hat: vorwiegend heiter; vom Shantychor bis zur Blaskapelle. Kritische Anmerkungen zu diesem Tag kommen ausschließlich von Kultureinrichtungen, die nicht aus dem Einheitstopf bezahlt werden – und dennoch hineingeworfen werden: Institutionen wie die Kunsthalle und das Bremer Theater, die sich noch im Frühjahr drakonisch gegen die Jubelfeier gewandt hatten, sind längst auf die Einheitslinie eingeschwenkt und tragen nun brav ihr Scherflein zum Bremer Einer- und Allerlei bei.

Die Einheit sei doch „der mehrheitliche Wille der Bevölkerung in Ost und West“ gewesen, sagt Sondergeld. Also müsse es ein Kulturprogramm „für ein möglichst breites Publikum“ geben: Alt und Jung, Ost und West etc. Ein Auftrag, mit dem sich die beauftragte Bremer Werbeagentur Blunck & Partner allerdings etwas herumquälen mußte. Denn was gab es da alles zu bedenken und zu berücksichtigen. Das „föderale Deutschland“ (Sondergeld) soll repräsentiert werden, also tanzen Kulturgruppen aus allen Bundesländern zu Kurzauftritten an (auf Empfelhung der Länder selbst): die moderne Ballett-Truppe der „John Cranko Schule“ steht für Baden-Württemberg; Hamburg läßt sich mit verrockten Shantys der Gruppe „Land Unter“ (sic!) vertreten, der Fanfarenzug Potsdam marschiert aus dem Brandenburgischen an. Aber auch der Europagedanke will gedacht sein an so einem Tag. Soll es doch „keine nationalistische Jubelfeier“ werden. Schon wird der Kirchhof der Lieben Frauen in eine „Europabühne“ verwandelt. Dort erschallen dann französischen Chansons von Ralf Böckmann und Bouzoukinummern der „Athenians“. Wo vielen vieles geboten werden muß, auf mindestens vier Innenstadtbühnen, da müssen es eben „Künstler der eher mittleren Preisklasse“ tun, räumt man bei der Werbeagentur ein.

Schließlich wollen auch die Bremer Firmen bedacht sein. Die bekommen ein Sonderprogramm: Auf zwei kleinen Messen, auf dem Markt und im sog. „World Trade Center“, präsentiert sich den Gästen die Welt des Kafferöstens, Bierzapfens und auch der Raumfahrt. Die Firma Atlanta „dekoriert ihren Stad mit einer sechs Meter hohen Chiquita-Banane“, informiert die Senatskanzlei.

Das Resultat ist beträchtlich: 144 Stunden Programm stehen zu Gebote, 1500 Künstlerinnen und Künstler sollen das Fest in Wallung bringen, dazu rechnet Sondergeld mit „täglich 100.000 bis 150.000 Besuchern“. Das wollen sich dann auch die Kulturträger nicht entgehen lassen, die sich anfang des Jahres gegen das Spektakel stemmten. Damals hatten viele Bremer Institutionen – in seltener Eintracht – mit Verweigerung gedroht. Tenor: Wer das Jahr über vom Senat zusammengekürzt werde, könne nicht am Einheitstag mit kulturellen Glanzleistungen prunken. Jetzt aber stehen die Empörer geschlossen im Programmheft. Rein zufällig, behaupten einige. Die groß angekündigte Toulouse-Lautrec-Schau in der Kunsthalle wird zwar von Roman Herzog eröffnet, „aber diese Hoffnung hatten wir uns gar nicht gemacht“, sagt Direktor Wulf Herzogenrat. Der Monat Oktober sei schon immer vorgesehen gewesen. Kollegin Martina Rudloff vom Gerhard-Marcks-Haus distanziert sich ohnedies von der Protestriege. Daß ihre Klassizismus-Ausstellung am Einheits-Wochenende eröffnet, „war sogar eher fördernd bei der Geldbeschaffung“.

Im Einheitsprogramm finden sich allerdings auch jene wieder, die wenigstens ein paar gezielt kritische Töne zum Freudenfest beitragen wollen. Der Kabarettabend im KITO ist da einfach eingemeindet worden, ebenso eine Diskussionsrunde im Theater am Goetheplatz: „5 Jahre danach“. Dort treffen am Montag Theaterleute aus Ost und West aufeinander, um die weniger beschaulichen Seiten der Vereinigung aufzuzeigen und den „politischen Rederitualen etwas entgegenzusetzen“, wie Intendant Klaus Pierwoß hofft.

Alle Kritiker aber paßten dann doch nicht unter den Einheitshut. Der Schlachthof hat es abgelehnt, mit seinem Gegenfest „Zeig's der Einheit“ im offiziellen Porgramm zu erscheinen. Schließlich sei man dort „nie gefragt worden, ob wir was zur Feier beitragen wollen“, sagt Elke Heyduck. So soll's ein Fest werden „für alle Leute, die ein Unbehagen zu diesem empfinden“, mit Musike und Kabarett aus Ost (“Kugelblitze“ aus Magdeburg) und West (die halbe „Titanic“-Besatzung) – „ein fest für alle, denen die Deutschländer Würtschen im Halse stecken bleiben.“ tom