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■ Judith Kuckart liest aus ihrem Roman "Die schöne Frau"

Judith Kuckart, Tänzerin und Choreographin, ehemalige Kresnik-Assistentin und Gründerin des Tanz Theaters Skoronel, schreibt auch Romane. Ihr zweiter, „Die schöne Frau“, ist soeben bei Fischer erschienen. Es geht um die arbeitslose Schauspielerin Bertha, die Dramaturgin in Baden-Baden wird. Es geht um die schöne, blonde Bertha, der es auch mit noch so vielen erotischen Begegnun-Foto: Isolde Ohlbaum

gen nicht gelingt, einen Sinn

in ihr Leben zu vögeln. Sie hat sich schon in eine gelangweilte Exaltiertheit stilisiert, als ihre Mutter beginnt, ihr Briefe zu schreiben. Da erfährt Bertha, daß die Mutter in einem nationalsozialistischen Lebensborn-Heim aufgewachsen ist, daß die Großmutter Männer in Uniformen liebte, so wie die Mutter auch. Jetzt wird Bertha ihre schöne Blondheit zum arischen Trauma. Sie saugt dieses Schicksal gierig auf, verordnet sich ein Schuldgefühl und leidet. Wer sie nun auf ihre blonden Haare anspricht, löst tiefe Krisen in ihr aus. Heimlich beginnt sie zu inszenieren, die Tragödie des „Ödipus“ ausgerechnet. Die deutsche Last, die sie sich auf die Schultern hievt, entfernt Bertha immer weiter von den Menschen ihrer Umgebung. Ihre Besessenheit von dem Begriff „Arier“ („klingt wie Saurier“) führt gar bis zum Hörsturz.

Weder die Handlung selbst noch der Mischmasch aus Traumfragmenten und mitunter sehr bedeutungsschwangeren Alltagsskizzen sind für sich genommen natürlich überzeugend. Hier will jemand der Banalität entkommen und nimmt deswegen Geschichte fast unzulässig persönlich. Judith Kuckart bestätigt in diesem Buch die Orientierungslosigkeit der dritten Generation nach dem Nationalsozialismus. Aber sie beschreibt das Dilemma der Leere inmitten von Hyperaktivität, erotischer Unbefriedigtheit und Kontaktunfähigkeit mit Ironie – und distanziert sich so auch von Berthas Versuch, sich aus Fetzen der Historie eine Selbstverantwortung zu konstruieren, die sie der Bedeutungslosgkeit enthebt. Am Ende verschwindet Bertha in einem Flughafenklo. Das ist in all seiner theatralischen Trivialität so unbefriedigend wie realistisch. Petra Kohse

Judith Kuckart liest morgen, 21 Uhr, im Buchhändlerkeller, Carmerstraße 1, Charlottenburg, und am 22.10., 23 Uhr im Roten Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte.

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