Alle haben es gewußt

■ Senat beschließt Bundesratsinitiative zur Änderung des Entschädigungsgesetzes / Entwurf seit Monaten bekannt

Der Senat hat gestern die angekündigte Bundesratsinitiative beschlossen, nach der das am Freitag im Bundesrat beschlossene Entschädigungsgesetz geändert werden soll. Dadurch soll es den Wohnungsbaugesellschaften (WBG) ermöglicht werden, wie bisher die Verwaltungskosten der von Rückübertragungsansprüchen betroffenen Wohnungen aus den Mieteinnahmen zu finanzieren. Das Gesetz sieht vor, daß von den Mieten lediglich die Betriebskosten bezahlt werden dürfen und alle Überschüsse auf Sperrkonten einzuzahlen sind, die der Alteigentümer nach der Rückübertragung erhält. Der Änderungsvorschlag sieht außerdem vor, die Überschüsse nicht rückwirkend zum 1. Juli, sondern erst ab dem 1.1.1995 auf Sonderkonten fließen zu lassen. Damit soll den WBG Zeit gegeben werden, sich auf die vorgeschriebenen Einzelabrechnungen für jedes Haus vorzubereiten. Sie hatten an dem Gesetz heftige Kritik geübt.

Unterdessen hat Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) eingeräumt, daß auch der Bauverwaltung der Gesetzestext bereits im Mai vorgelegen hatte. Alle Verwaltungen würden von den im Bundesrat abzustimmenden Gesetzen in Kenntnis gesetzt werden. Da allerdings die federführende Finanzverwaltung anders als üblich keine „dezidierte Stellungnahme“ eingefordert hätte, habe man die Vorlage lediglich „abgeheftet“. Eine genaue Überprüfung habe erst Anfang letzter Woche stattgefunden, so Nagel, der darauf hinwies, daß auch das Bundesbauministerium erst vor kurzem die Problematik des umstrittenen Artikel 10 erkannt hätte: „Die fielen ebenfalls aus allen Wolken.“

Trotzdem vermied es Nagel, der Finanzverwaltung einen Vorwurf zu machen. Der Bausenator folgte damit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), der auf der gestrigen Senatssitzung allen und niemanden verantwortlich gemacht hatte: „Alle haben es gewußt, Schuldzuweisungen helfen nicht weiter.“

Es gelte jetzt, zukünftig „solche internen Mängel zu vermeiden“, so Nagel. Zur Zustimmung des Landes Berlin zum Vermögensgesetz habe es am Freitag allerdings keine Alternative gegeben, da es, abgesehen von den „Pannen“, eine „erhebliche Rechtsklarheit“ bei der Entschädigung enteigneter Alteigentümer schaffen würde. Nagel wies darauf hin, daß eine alleinige Ablehnung Berlins das Gesetz auch nicht hätte kippen können. Nach Rechnungen Nagels kann die Neuregelung noch vor Weihnachten beschlossen werden, da sowohl die fünf neuen Bundesländer als auch die SPD-geführten Länder bereits ihre Unterstützung zugesagt hätten. Anne-Kathrin Schulz