Handelsstreit zelebrieren

Japan und die USA führen ihre Handelsgespräche, als ginge es um das Kräftemessen zweier Wirtschaftsriesen / USA drohen mit Sanktionen  ■ Aus Tokio Georg Blume

Wenn die zwei führenden Weltwirtschaftsmächte ihren kleinkarierten Handelsstreit in die vorerst letzte Verhandlungsrunde schicken, lassen sie es an politischer Dramatik nicht fehlen. In der Sache geht es um Versicherungsprämien, Telefonapparate und Autositze, also eher um Millionen statt Milliarden. Doch dem japanischen Handels- und Wirtschaftsminister Ryutaro Hashimoto war das gestern allemal eine Reise nach Washington wert, die nach Auskunft des Ministers zumindest noch die „Möglichkeit eines Teilabkommens“ in Aussicht stellen soll.

Zu große Hoffnungen aber darf sich auch der bewährte Kompromiß-Broker Hashimoto nicht machen. Denn schon am Freitag, wenn ein im Sommer verhängtes Ultimatum der US-Regierung ausläuft, will Präsident Bill Clinton Handelssanktionen gegen Japan einleiten. Zweimal, im März 1987 und im Mai 1989, war es bereits zu US-Sanktionen gegen Japan gekommen, die jedoch nach kurzer Zeit wieder eingestellt wurden und folgenlos blieben.

Wohl zu Unrecht wird damit heute wieder die Gefahr eines Handelskrieges über dem Pazifik heraufbeschworen. Denn auch wenn es diesmal tatsächlich zu Sanktionen kommt, sind diese kaum geeignet, das Handelsklima zwischen beiden Ländern wesentlich zu beeinflussen. Am wahrscheinlichsten ist es noch, daß die USA bei der Vergabe von Regierungsaufträgen Barrieren gegen japanische Firmen aufrichten. Ausgeschlossen sind derweil breite Importzölle im ebenso entscheidenden wie umstrittenen Automobilsektor, in dem die USA allein 59 Prozent ihres Handelsdefizits mit Japan einfahren.

Eine schiere Detailversessenheit

Warum also die ganze Aufregung um ein paar symbolische Sanktionen, die nur wenigen japanischen Firmen einige Aufträge kosten würden? Allein vier mehrstündige Sitzungen bestritten der japanische Außenminister Yohei Kono und US-Handelsminister Mickey Kantor vergangene Woche in Washington, bei denen jede Einzelkritik vom angeblichen Monopol japanischer Flachglashersteller bis zu den angeblich unfairen Beschaffungspraktiken japanischer Krankenhäuser für medizinische Geräte ausgiebig erörtert wurde. Längst sind die Gespräche von Detailversessenheit geprägt, es geht um Supercomputer, um Handelsbilanzen. Und deutet sich erst einmal ein Kompromiß an, dann beginnt erneut der Streit um die Verifizierbarkeit eines denkbaren Abkommens. So erklärt sich auch, daß eine merkliche Entspannung beider Seiten nicht durch den Erfolg der Handelsexperten auf der Verhandlungsebene eingeleitet wurde, sondern durch die unilaterale Entscheidung der japanischen Regierung, während der nächsten drei Jahre auf Steuererhöhungen zu verzichten und damit die Importnachfrage in Japan zu stärken.

Vielleicht ist es die schiere Ergebnislosigkeit der zuerst 1979 im Automobilbereich aufgenommenen Handelsgespräche, welche die Unterhändler beider Nationen zur Verweiflung treibt. „Wir haben getan, was wir konnten, und werden auf keinem Gebiet mehr nachgeben“, verkündete jetzt ein Tokioter Ministerialbürokrat trotzig. Solchen Bürokratennaturen, die den japanischen Verhandlungsstil maßgeblich bestimmen, ist unschwer anzumerken, wie ihre Selbstsicherheit wächst, je tiefer sich die Gegenseite in dem Verhandlungsgegenstand festbeißt. Denn im Detail sind die Japaner kenntnisreich und um keine Antwort verlegen. In Verlegenheit geraten Japans Bürokraten letztlich nur, wenn es um die große Linie geht. „Der neuen Realität einer global verflochtenen Wirtschaft entspräche es, die bilateralen Verhandlungen abzubrechen und die Probleme auf multilateraler Ebene zu lösen“, empfahl kürzlich die japanische Wirtschaftszeitung Nihon Keizai. Doch eben zu einer solchen Haltung kann sich die japanische Regierung gegenüber der alten Siegermacht nicht durchringen. Noch immer hören in Tokio alle hin, wenn der Ex-US-Präsidentschaftskandidat und heutige Botschafter in Tokio, Walter Mondale, einen „Ton- und Stimmungswandel“ verspricht, falls nur US- Versicherungsfirmen endlich auch in Tokio Büros eröffnen dürften. So aber sichern die Amerikaner ihr Kernargument ab: Wie ist es möglich, daß sich der japanische Handelsüberschuß mit den USA auch im 15. Verhandlungsjahr noch auf 93 Milliarden Mark beläuft? Soviel besser können japanische Firmen unter fairen Wettbewerbsbedingungen gar nicht sein.

Das Erstaunliche ist eher, daß die Amerikaner von diesem sicheren Argument in letzter Zeit so wenig Gebrauch machen und sich statt dessen auf die Bereichsfragen einzelner Industriezweige stürzen. Denn im großen und ganzen steht Japan weiterhin auf der Anklagebank: Wenn in diesem Land schon die Entwicklungshilfe über japanische Firmenkartelle verteilt wird, wenn hier Bier nur so hergestellt werden kann, daß ein Monopol aus vier Firmen den gesamten Markt kontrolliert, und wenn es schließlich niemanden stört, daß die Qualitätsbestimmungen für Kosmetikprodukte von den japanischen Firmen selbst erfunden werden, dann hat das mit freiem Marktzugang für ausländische Importeure alles nichts zu tun.