Juso-Chef bald CDU-Ehrenmitglied

■ Westphal düpiert Scharping und wirbt für Tolerierung durch die PDS / Ostdeutscher Stellvertreter fordert Rücktritt

Bonn (taz) – Mit dem Versprechen, für den Wechsel in Bonn zu werben, trat der Juso-Bundesvorsitzende Thomas Westphal gestern vormittag vor die Presse. Doch statt die Sozialdemokraten zu stärken, düpierte der linke Nachwuchspolitiker dann öffentlich seinen Kanzlerkandidaten und warb, entgegen der Parteilinie, für die Tolerierung einer rot-grünen Bundesregierung durch die PDS.

Wenige Stunden später boten die Jusos mitten im Wahlkampf das Schauspiel der Selbstzerfleischung. Der stellvertretende Juso- Vorsitzende Arne Grimm und der Geschäftsführer der Juso-Hochschulgruppen, Johannes Wien, forderten Westphal wegen seiner PDS-Äußerungen zum sofortigen Rücktritt auf.

In ideologisch vermintem Gelände war der umstrittene Juso- Chef zuvor betont trampelig aufgetreten: Eine große Koalition komme für ihn nicht in Frage – weder unter SPD- noch unter CDU- Führung. Deshalb plädiere er für eine von der PDS geduldete rot- grüne Minderheitsregierung für den Fall, daß SPD und Bündnis 90/ Die Grünen keine Mehrheit erzielten. Er erklärte: „Ich halte die PDS für eine demokratische Partei.“ Die „Stigmatisierung“ der Gysi- Truppe, wie die CDU sie betreibe, sei eine „lächerliche Veranstaltung“. Zwar sei die in Ostdeutschland starke Partei noch nicht koalitionsfähig, aber: „Die Zusammenarbeit mit der PDS im Parlament muß möglich sein.“

Für Rudolf Scharping hatte der Juso-Chef wenig Lob übrig. Die ökologische und soziale Reformpolitik des SPD-Kanzlerkandidaten werde der Jugendverband stützen. Im Kampf um den Parteivorsitz hatten die Jusos Scharpings Wahl im vergangenen Jahr verhindern wollen. Auf die Frage, was er persönlich vom Kanzlerkandidaten halte, fiel Westphal nur ein: „Das Langweiligste in der Politik ist, über langweilige Menschen reden zu wollen.“

Im Juso-Bundesvorstand war Westphals Schmusekurs gegenüber der PDS schon vor Wochen auf Kritik gestoßen – aus grundsätzlichen und auch aus taktischen Gründen. „Im Bonner Adenauer- Haus und im Berliner Karl-Liebknecht-Haus wird man Westphals Äußerungen als willkommene Schützenhilfe in der heißen Wahlkampfphase mit hämischer Freude zur Kenntnis genommen haben“, vermuten nun die beiden ostdeutschen Westphal-Kritiker Grimm und Wien. Genau so verhält es sich denn auch. In Kohls Nachwuchstruppe wurde nach der Juso-Pressekonferenz schon überlegt, Westphal für seine Verdienste um die Junge Union die Ehrenmitgliedschaft anzutragen. Hans Monath