Ungeschützte Nichtraucher

■ Hearing zum Anti-Raucherschutz brachte rechtliche und grundsätzliche Bedenken

Anti-Rauchergesetz in Bremen, das war im Sommer viele Schlagzeilen wert. „Selbst für mich hat das Thema unerwartet stark die Gemüter bewegt“, bekannte gestern Gesundheitssenatorin Irmgard Gaertner. In einer „Anhörung“ der Deputation sollten Experten und Verbände zur „gesetzlichen Regelung des Nichtraucherschutzes“ Stellung nehmen.

Für Wolfram Klein, den Vertreter der Handelskammer, muß „wilder Aktonismus und Populismus“ die Senatorin bewegt haben. In Bonn sei das Thema Anfang 1994 erörtert worden und auf „fast einhellige Ablehnung“ gestoßen. Oft helfe auch schlichtes Lüften, meinte er, um die Gesundheitsgefahr abzustellen. Was bleibe, sei das Gefühl der „Belästigung“, kein Fall also für Gesetze. Man solle nicht auf Verbote und Reglementierungen setzen, sondern in demokratischer Tradition auf Einstellungsänderung.

Gegen ein Gesetz waren auch die Vertreter der Kassen und der Ärzte. Der Bonner Jurist Prof. Ossenbühl überraschte die Deputation und offenbar auch die Gesundheitssenatorin mit rechtlichen Bedenken: Eine „vertypte Gefahrensituation“, so argumentierte er, müßte nachgewiesen werden, wenn es um konkrete Einschränkungen des Rechts auf freies Rauchen gehe. Da NichtraucherInnen in Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und Behörden schon geschützt seien, für die Arbeitsplätze die Richtlinien des Arbeitsschutzes gelten würden, bliebe ein Regelungsbedarf höchstens für den Gastronomie- und Veranstaltungsbereich. Dort aber müsse zusätzlich geprüft werden, inwieweit ein Eingriff in die Berufsfreiheit und in das grundrechtlich geschützte Eigentum zu rechtfertigen sei –schließlich gingen die Leute freiwillig in verräucherte Kneipen oder Diskotheken.

Die überwiegende Belastung findet, das sagen auch Mediziner, in Privaträumen statt. Nicht einmal der Nichtraucherschutz von Kindern vor ihren qualmenden Eltern sei aber gesetzlich zu gewährleisten – die Familie ist rechtlich sakrosankt. „Butterweich“, so der Jurist, sei das von der Senatorin vorgelegte „Eckpunkte“-Papier.

Die Lobby für den Nichtraucherschutz war demgegenüber recht schwach vertreten auf dem Hearing. „Wir wollen die Nichtraucher schützen und nicht die Raucher erziehen“, erklärte Helga Ziegert, DGB-Vorsitzende, ihr grundsätzliches „Ja“. Doch Widerspruch kommt schon aus ihren eigenen Reihen: Ein Rauchverbot führe nur zur Entsolidarisierung innerhalb der Betriebe, wendet die Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG) ein. Schon „Raucherzonen“ würden innerbetrieblich Unfrieden stiften. Die NGG vertritt auch die Arbeitnehmerinteressen aus der Tabak-Branche.

Recht defensiv beendete Senatorin Gaertner die Anhörung. Ob sie mit ihrer Initiative noch in den Senat gehen will, ließ sie offen. „Warum,“ verblüffte der zuständige Referent Dr. Gruhl die Kritiker mit einer Gegenfrage, die auf Maßnahmen wie Verbot der Tabak-Reklame ausweichen wollten, „warum haben bisher solche Maßnahmen nie gewirkt?“ K.W.

Wo sind die glaubhaften Alternativen?“ K.W.