Die Gäste sprengten die Party

■ Charles, und seine Freunde spielten im KITO

Fake Jazz nannten John Lurie und die „Lounge Lizards“ in ihren Anfangszeiten ihre Musik, aber die wahren Jazzfälschungen kommen erst jetzt mit den Moden des Acid- und Dancefloor Jazz auf den Markt. Am Dienstag abend konnte man den Unterschied zwischen Original und Schummelei deutlich erkennen, die deutsche HipHop & Dancefloor Hoffnung Charles hatte zu seiner siebenköpfigen Band zwei hochkarätige Gäste eingeladen.

Jasper van't Hof und Toshinori Kondo improvisierten aber tatsächlich, und dabei konnten Charles und seine Band dann nur noch staunend zuschauen – wenn man versuchte, sich auf die kleinsten rhythmischen und melodischen Nenner zu einigen, wußten die Gastgeber nach einigen Takten kaum noch, wohin mit ihren Instrumenten.

Dabei waren die Fälschungen bis zur Pause gar nicht so einfach zu erkennen. Charles und seine Band hatten die Strukturen des Souljazz der 60er Jahre, des Funk, Latinjazz und einige Klassiker von Miles Davis gut studiert und geschickt kopiert, und da immer schnell von einem Stil zum nächsten gewechselt wurde, fiel es kaum auf, daß die Musik nirgends in die Tiefe ging und keiner der Musiker auch nur ein halbwegs interessantes Solo zustandebrachte. Charles selber sang und rapte mit einer wenig wandlungsfähigen Stimme zu den Songs, aber am wichtigsten war, daß zu allen getanzt werden konnte. So war im ersten Teil des Konzerts Partystimmung angesagt – für besonderes enthusiastische Schreie und Tänze waren extra Gäste aus Frankreich eingeladen worden,. Auch daß Charles seinen Streifzug durch die Musikstile im Vergleich zu Galliano (bei denen das Fälschen wirklich eine Kunst geworden ist) recht humorlos arrangierte störte die wohlgelaunten Tänzer kaum.

Als nach der Pause dann aber die Gäste spielten, wandelte sich die Stimmung extrem. Die Musik wurde schnell so komplex, daß nun nicht mehr dazu getanzt werden konnte, und gerade die KonzertbesucherInnen, die beim ersten Teil so begeisterten mitgefeiert hatten, traten die Flucht an. Keyboarder Jasper van't Hof und Trompeter Toshinori Kondo kümmerten sich auch nicht weiter um die hilflos dastehenden Musiker der Band – sie spielten viel lieber miteinander, verwickelten sich in brachiale Duelle und spielten was ihnen so gerade einfiel. Sicher war auch dies keine Offenbarung, aber sie machten abenteuerlichen freien Jazz – und Charles wurde immer kleiner unter seinem Strickhut.

Willy Taub