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: Das Hohle der Bilderflut

■ "Hotel Interim"

„Hotel Interim“, Dienstag, 23.20 Uhr, ZDF

In der guten Kriminalgeschichte war das „Wie“ schon immer wichtiger als das „Wer war's?“ Ob Milieustudie à la „Tatort“ oder flotte Modenschau à la „Miami Vice“, spätestens seit der postmodernen Wende ist Konsens: der Weg ist das Ziel. So ist auch der Fall, den es im „Hotel Interim“ zu lösen gilt, eher belanglos: Phil, der „Investigator“, soll im Auftrag einer „Auswertungsgesellschaft Realität“ (!) herausfinden, warum zwei Stammgäste erhängt am Fensterkreuz aufgefunden wurden. Er selbst hat jedoch ganz andere Probleme. Während einer Autofahrt funkt er seine Zentrale um Hilfe an. Die Antwort: „Ihr Problem? Orientierungsverlust? Da kann ich leider nichts für Sie tun!“

Das ist das Programm des Films: Er postuliert Chaos, Sinnverweigerung, Diskontinuität, und tut das fröhlich und ohne Skrupel. Da mischen sich Science-fiction und Horrorfilm, Krimipersiflage und Märchenstoff, kalte Computerwelt und ein Panoptikum seltsamer Typen. Zu sphärischem Geblubber und nervigen Toneffekten wird wild herumgezappt, das Geschehen wird sofort Bild und Bild-im-Bild (oder Bildstörung). Realität und Simulation sind eins, der Seher ist zugleich Gesehener, der Täter zugleich Opfer. Vor 20 Jahren, als man noch raunend von Orwell sprach und gebannt auf das Jahr 1984 starrte, hätten diese Bilder noch erstaunt ob ihrer utopischen Qualität und erschreckt ob ihrer Gewalttätigkeit. Heute haben sie etwas Läppisches – längst wissen wir um das Hohle der Bilderflut. Der Film zeigt beides, die Utopie, die im Kollaps endet, und die lapidare Antwort darauf („Putzense mal die Linse, is ja ekelhaft!“).

So erwachsen dem voll vernetzten Antihelden Phil Rettungsangebote ausgerechnet von zwei Kommunikations-„Gestörten“: von einem Blinden und einer stummen Frau vom gegenüberliegenden Fenster, mit der er sich in Gebärdensprache unterhält. „Arbeiten Sie an der Verfeinerung Ihrer Sinne“, heißt es, aber das nützt ihm auch nichts mehr. In einer furiosen Kaskade von Strom- und Bildausfällen zieht sich der Film gleichsam selbst den Stecker raus. Am Ende sieht man Phil mit dem Strick um den Hals am Fensterkreuz... „Hotel Interim“ ist ein Interimsfilm, ein Zwitter zwischen Spiel- und Animationsfilm, er ist ganz Medium, das sich schließlich selbst aufhebt. Wolfgang Hinterstoißer