„Das Herz der Bestie ist unverändert“

■ Bruce Rich von der US-Umweltorganisation Environmental Defense Fund, zur Zeit zur IWF- und Weltbank-Tagung in Madrid, über die Auswirkungen von Weltbank-Aktivitäten

Bruce Rich ist einer der bekanntesten und kenntnisreichsten Weltbank-Kritiker in den USA und dort einer der Organisatoren der Kampagne „50 Jahre sind genug“.

taz: Sie haben häufig betont, daß die negativen Auswirkungen der Weltbank-Aktivitäten die positiven bei weitem überwiegen. Woran läßt sich das festmachen?

Bruce Rich: Ein wesentlicher Indikator etwa für die schlechte soziale Qualität der Projekte sind die Zwangsumsiedlungen, von denen, eigenen Studien der Weltbank zufolge, zwischen 1979 und 1993 3,25 Millionen Menschen betroffen waren. In fast allen Fällen waren diese Menschen hinterher schlechter dran als vorher. Ein drastisches Beispiel für das Versagen der Weltbank in der Umweltpolitik bietet der Energiesektor. Mit drei bis vier Milliarden Dollar jährlich fördert die Weltbank neben dem Bau von Staudämmen vor allem Kohlekraftwerke – die angesichts der ungenutzten Energiesparpotentiale zum Großteil überflüssig sind – und trägt so wesentlich zum Anstieg der Treibhausgasemissionen bei.

Viele Weltbank-Kritiker fordern schlicht, die Weltbank abzuschaffen ...

Das ist realpolitisch gesehen albern – auch wenn wir uns das wünschen mögen. Wir müssen Druck ausüben auf die nationalen Parlamente und die Finanzministerien – in Deutschland ist übrigens das Entwicklungshilfeministerium für die Weltbank zuständig –, damit sie der Weltbank weniger Geld geben. Wenn es denn der Sinn der Entwicklungshilfe sein soll, armen Menschen zu helfen und nachhaltige Entwicklung zu fördern, und wenn die Weltbank diese Aufgabe offensichtlich nicht vernünftig erfüllt – dann gebt der Bank doch ihre eigene Medizin: Strukturanpassung. Sie muß sich mehr auf Qualität statt Quantität konzentrieren. Und wenn Wettbewerb so segensreich ist, wie die Weltbank überall predigt, dann sollte man das Geld statt dessen lieber privaten Organisationen geben, die vor Ort mit den Armen arbeiten.

Bei aller Sympathie für das Konzept „small is beautiful“ – in vielen der ärmsten Länder ist die Wirtschaft praktisch zusammengebrochen. Brauchen diese Staaten nicht einen enormen finanziellen Transfer?

Doch, aber die Lösung kann nicht sein, mehr Kredite zu vergeben, die Staaten mehr Schulden machen zu lassen. Erst einmal müßten die alten Schulden erlassen werden. Das ist die zweite zentrale Forderung der Kampagne „50 Jahre sind genug“.

Was kann dabei eine Gegenveranstaltung gegen IWF und Weltbank, wie sie derzeit in Madrid stattfindet, erreichen?

Auch wenn die meisten Regierungsvertreter die Kritik inzwischen kennen, ist es sinnvoll, sie gelegentlich sehr deutlich daran zu erinnern. Wenn darüber hinaus die Hunderte von NGO-Vertretern aus den verschiedensten Ländern anschließend zu Hause verstärkt Druck auf ihre Regierungen und Parlamente ausüben, ihre Zahlungen an die Weltbank zu kürzen, dann immerhin hat das Treffen etwas erreicht.

Die Weltbank hat in letzter Zeit zunehmend empfindlich auf die wachsende Kritik reagiert. Hat solch ein alternatives Forum einen Einfluß auf offizielle Weltbankvertreter?

Man muß das als Teil eines Prozesses sehen. Das Treffen selbst und die geplanten Demonstrationen dienen allenfalls als Nadelstich. Aber daß der Druck zunimmt, hat sich erst in Deutschland gezeigt, wo der Bundestag vor kurzem einen Antrag verabschiedete, der unter anderem mehr parlamentarische Kontrollmöglichkeiten über Weltbankprojekte und mehr Transparenz forderte.

Ist erkennbar, daß sich die Weltbank auf den Druck hin bewegt?

Ein paar bescheidene Schritte in die richtige Richtung wurden gemacht. Beispielsweise finanziert die Weltbank manche besonders schädlichen Projekte nicht mehr, etwa die riesigen Siedlungsprojekte im brasilianischen und indonesischen Regenwald. Aber die wesentlichen Probleme sind geblieben: zuwenig Transparenz, die Weltbank kann nicht zur Verantwortung gezogen werden für die Auswirkungen ihrer Projekte. Das Herz der Bestie ist unverändert. Interview: Nicola Liebert