US-Interesse an ostdeutscher Chemie

US-Konzern Dow Chemical zeigt ernste Absichten, petrochemische Anlagen der Buna GmbH in Leuna, Schkopau und Böhlen zu übernehmen / Kohl feiert das als Erfolg, Rexrodt ist sauer  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) – Was könnte es für Helmut Kohl Schöneres geben als seine Wahlkampfreisen in das ostdeutsche Chemiedreieck? Im Frühjahr bereits konnte sich der Kanzler bei der Grundsteinlegung für die neue Raffinerie in Leuna feiern lassen – sein erster Beleg dafür, daß er sein Versprechen, den Chemiestandort Ostdeutschland zu retten, halten werde. Direkt anschließend galt es, eine funkelnagelneue Tapetenkleisteranlage inmitten der Bitterfelder Industriebrache einzuweihen. Gestern nun lieferte Treuhanddirektor Klaus Schucht Kohl einen neuen Triumph: In seinem Beisein unterzeichneten die Treuhand und der US-Chemieriese Dow Chemical eine Absichtserklärung mit dem Ziel einer mehrheitlichen Übernahme der Petrochemieanlagen der Buna GmbH. Daß der heutige Buna-Chef Bernhard Brümmer früher bei Dow beschäftigt war, mag in diesem Zusammenhang ein Zufall sein.

Während Kohl und Schucht vor Zufriedenheit strahlten, mochte Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) seinem einstigen Treuhandkollegen nicht einmal gratulieren. „Wir sollten nicht vergessen, daß es neben Dow Chemical weitere sehr ernst zu nehmende internationale Konzerne gibt, die sich am Chemiestandort Buna/ Böhlen engagieren wollen“, maulte Rexrodt. Er warf Schucht vor, daß in seinem Direktorat ständig „Mammutplanungen und Ideen“ für Buna kursierten. Seiner Ansicht nach sollten in Buna zunächst die geplanten Investitionen von 1,7 Milliarden Mark umgesetzt werden, um dann zusätzliche Privatinvestoren anzuwerben.

Mit wieviel Geld Dow einsteigen wird, muß ohnehin erst noch verhandelt werden. Bislang jedenfalls wurde in Schkopau und Böhlen ausschließlich Treuhandgeld in die Modernisierung gesteckt. Und bei der nunmehr möglichen Übernahme geht es Dow Chemical offenbar nicht um die Buna GmbH, die 1993 bei einem Umsatz von 600 Millionen Mark einen Rekordverlust von 386 Millionen Mark erwirtschaftete, sondern um die mit öffentlichem Geld modernisierten petrochemischen Anlagen.

Produziert werden sollen bei Buna weiterhin Massenkunststoffe, die auf den übersättigten Weltmärkten allerdings nur dann Käufer finden werden, wenn sie deutlich billiger als bisher üblich angeboten werden können. Kernstück des Treuhandkonzepts ist zu diesem Zweck die Modernisiserung eines Crackers in Böhlen, der dann 450.000 Tonnen des Grundstoffs Ethylen produzieren soll. Die Ausgangsstoffe Naphta und Flüssiggas sollen über eine neue Pipeline vom Rostocker Überseehafen nach Böhlen geführt werden.

An dem Olefin-Chemie-Komplex will sich ferner ein Konsortium der Thyssen Handelsunion AG und der russischen Gazprom beteiligen. Für den Betrieb mit russischem Erdgas müßte allerdings der Cracker für einen zusätzlichen dreistelligen Millionenbetrag umgerüstet werden. Wenn's um die ostdeutsche Chemie geht, dürfte es im Zweifel auch darauf nicht ankommen. Schließlich darf das Konzept der Treuhand, das im letzten Jahr vorgestellt wurde, 2,5 Milliarden Mark kosten.