Stolperfalle für die PDS

■ Soll die CDU in Berlin ihre WählerInnen dazu auffordern, die SPD dort zu wählen, wo die PDS Chancen auf ein Direktmandat hat?

Berlin (taz) – Der Kanzlerkandidat der SPD, Rudolf Scharping, sieht eine Möglichkeit, die PDS aus dem nächsten Bundestag herauszuhalten. Diese wäre dann gegeben, so erklärte er am Dienstag, wenn in den drei Ostberliner Wahlkreisen, in denen die PDS Chancen auf ein Direktmandat hat, die Wähler von CDU und FDP ihre Erststimme dem SPD-Kandidaten gäben. Scharping forderte Bundeskanzler Helmut Kohl auf, dieses Vorhaben zu unterstützen. Er solle den Wählern sagen, sie sollten die Erststimme nutzen, um die PDS aus dem Bundestag rauszuhalten.

Kohl hat auf die Aufforderung noch nicht geantwortet, doch hatte er bereits früher einer solchen Absprache eine Absage erteilt. Auf widersprüchliche Resonanz ist Scharpings Offensive bei den beiden betroffenen SPD-Kandidaten gestoßen. Wolfgang Thierse sagte gegenüber der taz: „Die Wähler sollen entscheiden und nicht irgendwelche Absprachen zwischen Parteien.“ Ihn ärgere ein wenig, daß die PDS jetzt noch einmal hochgeredet werde. Er vertraue auf die Wählerinnen und Wähler und nicht auf Helmut Kohl. Der Berliner Jugendsenator Thomas Krüger befürwortete im Gespräch mit der taz hingegen Scharpings Initiative.

taz: Herr Krüger, Ihr Parteivorsitzender Rudolf Scharping meint, Sie schaffen es nicht aus eigener Kraft, Ihren Wahlkreis zu gewinnen. Steht es denn so schlecht um Ihre Kandidatur?

Krüger: Überhaupt nicht. Ich habe gute Chancen, meinen Wahlkreis zu gewinnen. Aber Scharping hat mit seiner Aufforderung an den Bundeskanzler vollkommen recht. Die Rote-Socken-Kampagne wird dadurch demaskiert.

Sie haben also keine Bedenken, sich von Kohl unter die Arme greifen zu lassen?

Viele wissen doch, worum es bei den Erststimmen in den Wahlkreisen geht. Die Polarisierung zwischen SPD und PDS ist doch schon längst da. Wenn Kohl wirklich etwas gegen die PDS hat, kann er seinen Wählern hier konkret die Entscheidung gegen die PDS erleichtern.

Es ist nicht sehr demokratisch, durch Manipulation des Angebotes an Direktkandidaten die Auswahl einzuschränken.

Ich halte nichts von Manipulation. Allerdings weiß jeder, daß es bei der Direktkandidatur darum geht, einen Kadidaten mit den meisten Stimmen auszustatten. Genau darum bewerbe ich mich ...

... Das wollen die Kandidaten von CDU, Bündnis 90/Grünen und PDS auch. Das soll doch der Wähler entscheiden.

Das soll er auch. Und dabei soll er daran denken, wie er das am wirkungsvollsten tun kann. Ich glaube nicht, daß die CDU sich ernsthaft Chancen ausrechnet, im Wahlkreis Lichtenberg/Friedrichshain ihren Direktkandidaten durchzubringen.

Für die Bürger der ehemaligen DDR ist die Manipulation der Wahlmöglichkeiten ein sensibles Thema.

Ich bin auch gegen Absprachen jeder Art. Aber ich bin dafür, politisch darüber zu diskutieren, wie man in jedem Wahlkreis die Entscheidung zuspitzt. Wer die PDS- Kandidatin wählen will, soll sie wählen, wer nicht, der soll sich genau überlegen, ob nicht die Erststimmen für Bündnis-90/Grüne- und CDU-Kandidaten vergebene Stimmen sind.

Es entspricht doch der Selbstetikettierung der PDS als stigmatisierte Ost-Partei, wenn sich jetzt die Zentralen der großen Parteien absprechen.

Rudolf Scharping hat keine Absprache getroffen, sondern lediglich deutlich gemacht, daß die Rote-Socken-Kampagne von Helmut Kohl völlig danebenliegt.

Interview: Dieter Rulff