„Laß mich das mal eben machen“

■ Auf dem Pferderücken durch einen Waliser Nationalpark

Stampede! Der Angriff der Gehörnten – da stürmen sie mit geblähten Nüstern auf uns zu, vorweg ein rotäugiger Koloß von einem Bullen. Selbst die Pferde verlieren etwas von ihrem, so schien es bis eben jedenfalls, unerschütterlichen Gleichmut. Nervös werden Ohren gespitzt, die Schritte der kompakten Welsh-Cop-Ponies werden tänzelnd. Und für die zehnköpfige Reitergruppe wird eine Frage drängend: „Wie kommen wir hier heil wieder raus?“

„Public footpath“ – kleine Holzschilder versichern den Reisenden zu Fuß und auf dem Pferdrücken im süd-englischen Wales allgegenwärtig, daß sie ihren Weg mitten durch die Viehherden nehmen dürfen. Einzige Bedingung: Gatter auf, Gatter zu – davon gibt es im Brecon Beacons Nationalpark abertausende. Der dünnbesiedelte Landstrich mit seinen sanftgeschwungenen Bergen ist in Wahrheit eine einzige Viehweide: Der neugierige, panische, ignorante oder schläfrige Blick unzähliger Schafe begleitet die reisenden ReiterInnen überall – in wilder Flucht spritzen die Wollknäuel vor den Sechsbeinern auseinander, suchen sich in ihren farnüberwucherten Weidegründen zu verbergen. Dabei sollte dieser Anblick eigentlich inzwischen Alltag für sie sein, denn der Brecon Beacons Nationalpark mit seinen Black Mountains ist ein wahres Trekking-Eldorado. Zahlreiche Farmhäuser bieten regenresistenten PferdefreundInnen wöchentlich Trails durch die einsame und rauhe Berglandschaft dieses Nationalparks, einer von dreien in Wales. Mit kleinem Gepäck (wichtigstes Utensil: Ganzkörper-Regenzeug) ausgerüstet werden die Gäste durch winzige Dörfer, weite Heidelandschaften und über unbewaldete Höhen zu immer neuen Schlafstätten geleitet. Ob Dorfhotel, Farmhaus oder historische Abtei – so einsam sie alle gelegen sein mögen, ein Pub in der Nähe fehlt nie. Darf auch nicht, denn Trekking-Führer Michael Tuner hat seine Tour nicht umsonst The Real Ale Trail getauft. Zehn bis zwölf Biersorten pro Pub – da werden auch die Nächte zur Herausforderung.

Fünf Stunden Arbeitszeit plus zweistündige Mittagspause ( vor einem – natürlich – Pub angebunden) müssen die Ponies täglich vor ihrer Nachtruhe abliefern, und sie tun das so eifrig wie brillant. Keine Höhe ist zu steil oder steinig, um nicht im Galopp erobert oder herabgerutscht zu werden. Das Tempo bestimmt dabei nicht immer der Reiter. „Laß– mich mal machen“, dieser gelassenen Botschaft der vierbeinigen Träger können sich die ReiterInnen getrost ausliefern. Ob schmale Trampelpfade an steilen Abhängen, äußerst stark geneigte Abstiege über glatte Schieferplatten oder die Querung regenreicher Flüsse – kein Tritt verrät Unsicherheit, nie verlieren die Pferde ihre schlafwandlerische Balance.

Zu dieser finden sie auch beim Angriff der Gefleckten schnell zurück – nicht umsonst haben die jungen Pferde drei alte, routinierte Kollegen zur Seite gestellt bekommen. Und während die jugendlichen Hüpfer ihre Furcht am Zaun entlang verzappeln, stellen sich die Alten den heransprintenden Kühen entgegen. Auch ohne Lasso und Colt gelingt es mit ihrer Hilfe, die Störenfriede zu verjagen und das rettende Gatter zu erreichen.

Nur eins, so verät Michael in einem ruhigen Augenblick, kann selbst einen Veteranen wie den 24jährigen Rappen Xcalibur in die Flucht schlagen: Der Anblick von Schweinen. Da gibt selbst das mutigste Welsh-Pony Fersengeld. Doch die sind in den Black Mountains so rar wie die Schönheit der Berge in Hamburg.

A girl named Sue